20060102.00 Metanalysis und Samtidighed Wenn Kierkegaard's Behauptung, das religioese Erleben muesse mit seinem Gegenstande gleichzeitig (samtidig) sein irgend Gueltigkeit gebuehrt, so muss man sich fragen, ob vergleichbare Gleichzeitigkeit auch bei anderem, ins besondere, bei wissenschaftlichem Bestreben einen Sinn haben moechte. Sobald ich mir aber diese Frage stelle, besinne ich mich der hippokratischen Erfahrung, d.h. auf unmittelbarer Anschauung basierte medizinische Praxis, von welcher mir scheint, dass sie vor anderen wissenschaftlichen Bemuehungen einen weiten Vorsprung hat. Bekanntlich wurden die naturwissenschaftlichen, mathematischen und kosmologischen Spekulationen ihrer Zeitgenossen von den hippokratischen Aerzten abgelehnt. Dass auch die einfachen Beobachtungen auf welche sie ihre Praxis stuetzten als Tatsachen gelten mussten, und dass diese Tatsachen, als solche, schon Theorie waren, konnten sie nicht erkennen. Demgemaess komme ich zu dem Beschluss, dass ich eine Stufung der Begrifflichkeit, also des Sprachinhalts, der Theorie, erkennen muss. Das Wort das ich einst selbst ausgesprochen oder niedergeschrieben habe ist mir naeher, sinnvoller, ueberzeugender als die Phrase welche ich in der Zeitung lese. Der Satz eines vertrauten, verlaesslichen (trusted) Lehrers ist mir ueberzeugender als eine Werbungsformel (Reklame). Letztlich auch ist die reine Anschauung nicht mitteilbar; und die Kollaboration, die Zusammenarbeit der Menschen hat zur Grundlage, die Verbegrifflichung, die Verwandlung von Anschauung in (sprachliche oder mathematische, symbolische) Begriffe. Die Abstufung der Begriffe ist also unvermeidlich; und die sogenannte Meta-analyse wissenschaflicher Forschungsveroeffentlichungen ist eine natuerliche Folge der gesellschaftlichen Entwicklung der Wissenschaft; und hat gewiss einen Platz, hat ihre Wirksamkeit, ihre Funktion in der Bewertung des oeffentlichen Wissens. Dabei ist nicht zu verkennen, dass die Metanalyse zugleich ein Schritt in die Scholastik ist, in dem Sinne in welchem die Scholastik einen Vorbau fuer den Gedankenreichtum des Altertums darstellt. Die logisch mathematische Rechtfertigung der Metanalyse ist letzten Ende die von keinem oder von nur wenigen verstandene Statistik; welche in ihrer Undurchsichtigkeit durchaus vergleichbar scheint mit der Undurchdringlichkeit der scholastischen Wortklauberei. * * * * *

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