20060115.00 In der Bethanien Szene sowohl als auch in der darauf folgenden Ankuendigung des Judasverrates, handelt es sich um Geld. Geld ist doch eben das, was die Menschen von einander trennt; bemerkenswert in Angesicht der dringenden Forderung der christlichen Lehre an die Menschen einander zu lieben. Man liebt eben entweder das Geld oder den Naechsten. Beides zu lieben ist unmoeglich. Die Naechstenliebe zerstoert den Reichtum; und der Reichtum zerstoert die Naechstenliebe, oder ist jedenfalls das Zeichen ihrer Abwesenheit. Dies alles aber geschieht nicht in einstiger Vergangenheit sondern in ewiger Gegenwart. Es draengt sich an uns als Krieg und Hungersnot, als die unloesbaren menschlichen Probleme, welche der Politiker oder Staatsmann zu loesen beansprucht. Probleme die dann wiederum ausgenuetzt werden um dem Naechsten gegenueber eine mehr erhabene, eine mehr tugendhafte Stellung zu behaupten. Unmittelbar auf die Bethanien Szene folgt der Verrat des Judas als das Spiegelbild der Bethanischen Oelung. In beiden Faellen geht es um das Verhaeltnis des Geldes zum Individuum, oder wenn man will, zur Seele, zum Ich. Im einen Falle erscheint der Wert des Ichs von wesentlich hoher, im anderen, von unbedeutender Geringheit. Beide Beispiele aber sind in ihrer Vereinfachung irrefuehrend. Durch das Ausgiessen des kostbaren Oels wurde kein Tod verhindert. Durch den bezahlten Verrat wurde der Tod auch letzten Endes nicht verursacht. Die Salbung war die quintessentielle symbolische Handlung. Und die Ursache des Todes war keineswegs der Verrat. Kauf und Verkauf ist das urspruengliche Verhaeltnis zwischen den Menschen. Es ist interessant zu erwaegen, dass der kantsche kategorische Imperatif die eigentliche symbolische Handlung darstellt, und dass dieser Imperativ, waere er konsequent und ehrlich durchgefuehrt, die praktischen Beziehungen zwischen den Menschen unmoeglich machen wuerde. In diesem Widerspruch liegt die tiefe Unwahrheit der kantschen Ethik. Logisch zu Ende, oder jedenfalls weiter gedacht, ist die von Kant geforderte symbolische Handlung fuer nichts eine Loesung. Logisch zu Ende, oder jedenfalls weiter gedacht, ist die Veraeusserung menschlichen Wertes in den Beziehungen zwischen Menschen unvermeidbar. Denn jedes Mal wenn man einen Menschen belohnt, kauft man ihm eine Teil seines Lebens, seine Subjektivitaet, seine Seele ab. So ist auch jede berufliche Anstellung eine Veraeusserung, ein erzwungener Verkauf des Ich. Es heisst hier, die Uebertreibung zu vermeiden. Doch ist das nicht Uebertriebene leicht zu uebersehen. Das Geld ist ein Spiegel nicht nur der wirtschaftlichen Dialektik menschlicher Existenz; es ist auch ein Spiegel ihrer ethischen Doppeldeutigkeit. Denn an der Verteilung des Geldes wird klar, dass die Problematik der Vergesellschaftung des Einzelnen so wie der Individualisierung der Gesellschaft unloesbar ist. * * * * *

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