20060131.00 Zwischen Ethik und Erkenntnistheorie besteht bemerkenswuerdige Parallele oder Vergleichbarkeit, insofern, jedenfalls als beide unbedingte Beduerfnisse des Menschen beurkunden: das Beduerfnis das Wahre zu erkennen, zu wissen; und das Beduerfnis das Gute zu tun, wertvoll zu handeln. Beide Beduerfnisse werden im einfachen (unsophisticated, unreflected) Leben in nur beschraenktem Masse erfuellt. Und in beiden Faellen fuehren die Versuche durch Ueberlegungen, durch Cogitationes, durch Vernuftgebilde oder Vernuenfteleien diese Beschraenkungen unseres Strebens zu beseitigen zu nur unvollstaendigem Erfolg. Oder genauer, fuehren zu der Einsicht, dass eine vollstaendige Loesung unmoeglich ist, und dass die eigentliche Loesung darin besteht, diese Unmoeglichkeit in die Erkenntnis, beziehungsweise in die Handlung, einzuverleiben. Mit dem Ergebnis, dass beide, die Erkenntnis so wie die Handlung zum Ausdruck bringen und als Zeugnis dienen, in welchem Masse und in welcher Weise die verlangte Vollkommenheit unmoeglich ist; und mit diesem Ausdruck die Unvollkommenheit in Vollkommenheit verwandeln. In beiden Faellen ergibt sich die optimale Loesung aus der Bewusstseinsgegenwart, - oder aus dem gegenwaertigen Bewusstsein. In Bezug nun auf die Ethik gibt es zwar viele und mannigfaltige Vorschriften zum Handeln: aber keine die sich als verlaesslich, keine die sich als stichhaltig erweist. Man erlaesst Gesetze, man erfindet Regeln in breiten lockeren Phrasen mit grosser Leichtigkeit, und entdeckt erst viel spaeter, wenn ueberhaupt, dass die allgemeinen Regeln sich nicht ins Besondere uebersetzen lassen, dass man sie im Einzelfall nicht anwenden kann, dass sie unter den Umstaenden in welchen der Mensch zur Handlung gezwungen wird, oft nutzlos oder gar sinnlos sind. Und dennoch erlebt der Mensch in den mannigfaltigsten Umstaenden einen grossen, tiefen Zwang nicht nur allgemein zu handeln, sondern um ein bestimmtes Ziel zu erreichen: die Handlung welche dann geschieht laesst sich nur teilweise erklaeren, laesst sich nur teilweise rechtfertigen, und manmchmal ueberhaupt nicht. Denn diese Handlung entspringt Neigungen, Trieben, Beduerfnissen derer der Mensch sich nur halb bewusst ist, oder garnicht. Man beurteilt dann im hinterher, bei Anwendung verschiedenster Kriterien ob die gegebene Handlung gut und wuenschenswert war, oder schlecht. In der Gegenwart aber, vermag der Mensch nicht anders als selbststaendig, spontan, aus dem Unterbewusstsein zu handeln. Uebrig bleibt noch der Vergleich zwischen dem Eingestaendnis des Nichtwissens und dem Eingestaendnis des Nichtkoennens, der Vergleich zwischen der Urweisheit des Sokrates und der Ursuende Adams. Die Verbindung wird bestaerkt und bestaetigt durch die den Griechen angerechnete Einsicht, dass alles Vergehen des Menschen auf Unwissen beruht, eine Einsicht welcher der griechisch schreibende und vielleicht auch griechisch denkende Evangelist zum Ausdruck brachte als er den gekreuzigten Jesus sagen liess: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Die Schlussfolgerung muss in beiden Bereichen die gleiche sein, naemlich, dass die Handlung, bezw. die Erkenntnis von selbst, spontan, selbststaendig ohne An- oder Einleitung der Vernunft, der Ratio, der bewussten Ueberlegung, - ohne begriffliche Annonce oder Feststellung geschieht. Dabei sei bemerkt, dass der Begriff, die begrifflich-sprachliche Anleitung zum Denken, bezw. zum Handeln keineswegs sinnlos, ueberfluessig oder wirkungslos ist. Das Denken ist wirksam, sehr wirksam. Des Denkens Wirkung ist aber keine unmittelbare. Weder was ich tue noch was ich verstehe ist unmittelbare Folge dessen was ich denke. Mittelbare Folge aber sehr wohl, denn der Begriff uebt seinen Einfluss aus auf mein Gemuet, wandelt, verwandelt den Geist, und - wenn man will - das physisch verstandene Nervensystem: und auf diese indirekte Weise beeinflussen meine Begriffe was ich denke und was ich tue. Mein geistiges Leben, meine geistige Existenz besteht aus dem was ich hoere, sehe, denke und ausspreche. Mein Verstehen und mein Handeln sind Ausdruck dieser geistigen Existenz: und auf diese mittelbare, indirekte Weise, indem sie auf mein Verstehen, auf meinen Geist wirken, beeinflussen meine Begriffe, meine Vorstellungen vom Wahren und vom Guten, was ich erkenne und was ich tue. * * * * *

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