20060212.00
Ich sehe klarer denn je, dass, und in welcher Weise, die
Geschichte Vorstellung ist. Ich sehe es klarer denn je, wie
die Menschen in geisteiger Zusammenarbeit, in geistigem
Konzert sich die Geschichte, ihre Geschichte erfinden, indem
sie sich ihre Vorstellungen vom Verlaufe der Zeit gegenseitig
bestaetigen, sich gegenseitig Geschichten erzaehlen wie es
einst war, zusammen sich ausmalen wie es sein wird; und doch
bei aller Anstrengung, bei allen Bemuehungen unfaehig sind
die Schranken des Erlebens von Zeit und Zeitlichkeit welche
die Natur ihnen auferlegt hat, zu erkennen, geschweige denn
sie zu ueberqueren oder zu durchbrechen.
Diese Ueberlegung nachdem ich Gilbert and Sullivan's
Pirates of Penzance mehrere mal von der DVD Platte abgespielt
hatte, und darin die Melodien von Haendel und Mozart,
Schubert und Schumann zu hoeren meinte, die Orchestrierung
von Purcell und Haendel, - und es mir auffiel, dass
vielleicht diese Operette, und die anderen von Gilbert and
Sullivan verfasst und vertonten, als Sterbenshauch, als
Sterbensecho der hohen Klassik-Romantik zu deuten ist, welche
das Europa des siebzehnten, achtzehnten und neunzehnten
Jahrhunderts beseeligte.
Ich spuere in diesen Kunstwerken die Ironie des kaum
noch und bald nicht mehr daseins, des Sterbens, des
Vergehens. Erscheint doch Ironie als die Bestaetigung der
Zweifelhaftigkeit der Existenz. Ironie ist das Spiel mit der
logischen (und moralischen) Wirklichkeit.
* * * * *
Zurueck
Weiter
2006 Index
Website Index
Copyright 2006, Ernst Jochen Meyer