20060529.01
Bei dem Lesen von Heines Geschichte der Religion und
Philosophie in Deutschland, spezifisch, der Romantischen
Schule, beeindrueckt es mich welches Licht diese Geistes und
Kulturgeschichte (intellectual history) auf die Problematik
der Geschichte im allgemeinen wirft. Denn hier wird nicht
erzaehlt, hier wird keine nuechterne, pruefbare Rechnung
aufgestellt. Hier wird gedichtet. Und die Gestalten dieser
Dichtung sind Erfindungen des Geistes, und aehneln der
Wirklichkeit nicht mehr (und nicht weniger) als Gemaelde von
Wiesen und Waldern den Gefiden aehneln, die man tatsaechlich
zurchwandern kann. Nennen wir es unwissenschaftliche
Geschichte; und in bestimmtem Sinne ist alle Geschichte
Erfindung, ist alle Geschichte Dichtung, allenfalls insofern
sie anschaulich ist. Anderweitig aber ist sie Rechnerei, ist
Uebereinstimmung von Begriffen mit einander und mit sich
selber, Uebereinstimmung, oder genauer, Korrespondenz von
Begriffen mit Artifakten, mit Dokumenten oder archeologischen
Denkmaelern dieser oder jener Art.
Die einzige wahrhaft wissenschaftliche, d.h. logisch
streng beweisbare Geschichte muss bar bleiben aller
Anschauung, und somit bedeutungslos und leer. Die
anschaulische Geschichte jedoch erscheint wie Dichtung,
welche in jedem Leser, in jedem Hoerer ein eigenes
(subjektives) Erleben ausloest; und schon aus diesem Grunde
sich nicht objektiv wissenschaftlich, logisch buendig und
einforemig ueberzeugend darstellen laesst.
Das Vergehen aber liegt auf Seiten der Historiker welche
zwar Geschichte erzaehlen, jedoch ohne zu verstehen was
Geschichte ist; deren Entlohnung sich letzten Endes nie aus
der Buendigkeit der Geschichte ergibt, sondern aus der
Freundschaft und Bewunderung ihrer Studenten, aus den
Honoraren von ihren Verlegern oder aus den Professorenwuerden
und Professorengehaeltern welches ihnen ihre Universitaeten
zukommen lassen.
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