20061226.00
Das grosse dialektische Geheimnis der Christenheit:
Jesus ist zugleich Gott und Mensch. Jesus ist also
Widerspruch. Sollte das Paradox besagen, dass sie - ich
meine die selbst ernannten Christen - im Grunde ueberhaupt
nicht an ihn glauben, und sozusagen mit den eigenen Gedanken
verstecken spielen?
Lassen wir es damit gut sein, dass er Mensch ist, und
menschlich. Das Menschliche verstehen wir ohnehin besser als
das Goettliche. Das Goettliche verstehen wir ueberhaupt
nicht. Insofern er Mensch ist, warum liebt er die Menschen?
Wohlbemerkt, dass er kein Weib liebte. Erkannt und zugegeben,
die allgemeinere Menschenliebe hat mit der geschlechtlichen
nur wenig, oder garnichts gemeinsam.
Was aber die allgemeine Menschenliebe anlangt, so frage
ich mich, Warum sollte einer die Menschheit und die sonst
fremden Menschen die sie einbeschliesst lieben? Ich antworte
mir: Um wider geliebt zu werden, der Gegenliebe halber. Hat
nicht Lessing spuersinnig entdeckt, dass ein jeder Mensch
sich selbst am meisten liebt? Die Liebe zum anderen, ist sie
nicht in erster Hinsicht, Provokation zur Gegenliebe,
Herausforderung selbst geliebt, oder noch mehr geliebt zu
werden als zuvor? Der Mensch liebt seinen Gott um von jenem
versorgt und geschuetzt zu werden. Liebt er nicht seine
Eltern, seine Geschwister, um von ihnen versorgt, betreut,
geschuetzt zu werden? Ist es nicht anzunehmen, dass er von
seiner Liebe zur Menschheit vergleichbaren Vorteil erwartet?
Wenn dem so ist, waere dann vielleicht die beruehmte
Passion als Fehlgang der Liebe, als des Geliebten allergische
Reaktion gegen sie, zu verstehen; als vielleicht
unvermeidbares Entgleisen eines natuerlichen Vorgangs? Ist
es nicht eine einleuchtende Erklaerung, dass die juedische
Gesellschaft seiner Zeit auf Jesus Liebe allergisch war, und
statt mit Gegenliebe, mit Dankbarkeit, mit Ehre und
Bewunderung sie mit ungebaendigter Rache belohnte?
Vielleicht ist uebergrosse Liebe dazu angetan, Ablehnung und
Hass herauszufordern. Dann wuerde des Volkes Hass
verstaendlich, weil er menschlich und natuerlich ist;
hingegen bleibt die Liebe Jesu unverstaendlich weil sie
uebernatuerlich und uebermenschlich, d.h. goettlich ist. Quod
erat demonstrandum.
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2006 Index 2. Teil
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