20080627.00 Die Mathematisierung hat unser Zeitbewusstsein verstellt. Die mathematische Zeit ist eine Reihe aus unendlicher Vergangenheit in unendliche Zukunft. Die eigentliche Zeit, hingegen, ist die Anschauung der Vergangenheit wie ein Gemaelde oder eine Photographie einer Landschaft deren grosse Umrisse, Himmel, Erde, Sterne, Sonne, Mond, uns in die Augen fallen, vielleicht sogar auch blenden, deren Details, die einzelnen Menschen, Tiere, Voegel, Insekten, Baeume, Planzen, Blumen, Blaetter, wir hinzudenken muessen, und hinzudenken koennen, wobei das Hinzugedachte von dem anschaulich Erinnerten qualitativ unterschiedlich bleibt, so dass die Erinnerungslandschaft sich mir als ein Denkmal, oder Mahnmal bietet, fuer die Unhaltbarkeit, fuer die Vergaenglichkeit meines Lebens. Die eigentliche Zeit ist wie ein transparentes Blatt, wie ein durchsichtiger Deckel, (cover, facing page) auf eine Photographie geheftet. Die Photographie zeigt die Erinnerungslandschaft der Vergangenheit. Der Deckel wie etwa aus Glass, Celluloid, klarem plastischem Kunststoff ist vollkommen durchsichtig. So lange er auf dem photographischen Bild liegt, sehe ich nur das Bild. Blaettere ich diesen Deckel auf, d.h. hebe ich ihn vom Bilde ab, so ist mir der Deckel unsichtbar. Ich sehe durch ihn hindurch in die Leere, ins Nichts. Und stelle ich mir vor in diesem durchsichtigen Deckel der Zukunft doch etwas zu sehen, so ist was ich mir vorstelle nichts als ein schwaecheres Abbild der Vergangenheit. Die Mathematik aber will mich ueberzeugen, dass durchsichtiger Deckel und sichtbare Photographie ein und dasselbe Zeug darstellen. Sie ernst zunehmen heisst dann das Gefuege der beiden, von Deckel und Photographie, das mir so ausserordentlich dienlich ist, und das einzige mir zugaengliche, zu zerstoeren. Was mir dann uebrig bliebe, waere nichts als ein zerbrochenes Spielzeug. * * * * *

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