19980118.00

     Das Denken welches sich auf seine unmittelbare Wirkung
richtet ist praktisches Denken.  Denken aber welches die
Vollstaendigkeit, (congruity, consistency, internal consistency)
des Gedachten beabsichtigt und beruecksichtigt ist theoretisches,
(selbst)betrachtendes Denken, ist "Philosophie".

     Das Denken ordnet jeweils seine Gegenstaende zu einem
Muster, zu einem Plan, Entworf, Vorschlag.  Dieser Plan hat den
praktischen Wert das Verstaendnis, und somit die Zusammenarbeit,
das Zusammenwirken, der Menschen zu ermoeglichen.  Mittels der
Sprache liefert das Denken somit das unentbehrliche
(indispensable) Mittel welches das Zusammenwirken der Menschen in
Gemeinsamkeit, als Gesellschaft ermoeglicht.

     Denken und Sprache sind untrennbar.  Sprache verstehe ich im
weiteren Sinne des Wortes, die mathematische Symbolik
einbegriffen.  Ist gleich ein wortloser, i.e. begriffloser
Gedankengang vorstellbar, so mueszte ein solcher in seinem
Verlauf wie in seinem Ursprung und Ausgang, stumm, unerkennbar,
ergebnislos bleiben.

     Philosophische Versuche sind, allgemein, Unterfangen ein
Bild, ein Modell, ein Muster, einen Entwurf des Kosmos zu
verfertigen.  Dieser beabsichtigte Kosmos mag nun in einer
Ordnung des (eigenen) Erlebens (subjektiv) oder in einer Ordnung
des (allgemein) Erlebten (objektiv) bestehen.

     Die angestrebte Universalitaet einer objektiven Darstellung
hat, was die Quelle anlangt, natuerliche Grenzen, in der
unvermeidlichen Beschraenkung der Kenntnisse und der Faehigkeiten
ihres Urhebers.  Die Begrenzungen (Limitations) des Zieles sind
anderer Art.  Sie bestehen in einer unuebersehbaren
Mannigfaltigkeit der zu beschreibenden Welt (of the world that
must be accounted for).  Sie bestehen in den Beschraenkungen
jeglichen Modelierens, und sie bestehen in der beschraenkten
Aufnahmefaehigkeit der Empfaenger.

     Das Ergebnis aber, das Resultat wird aber keineswegs an
seiner Vollkommenheit geschaetzt, sondern an seiner Wirksamkeit.
Das objektive, gegenstaendliche Modell ist die Wissenschaft, und
Wissenschaft ist "gueltig", ist wahr, insofern sie wirksam,
praktisch ist.  Wissenschaft ist wirksam und praktisch insofern
sie die Verstaendigung unter den Menschen (Wissenschaftlern)
ermoeglicht, d.h. insofern sie die Zusammenarbeit der
Wissenschaftler ermoeglicht, und somit einen synthethischen Geist
schafft dessen Faehigkeiten und Kraefte weit ueber die
hinausgehen, welche der Einzelne aufzubringen vermag.  Was die
Wissenschaft jedoch nicht vermag, und in dieser Beziehung ist sie
unwahr, ist sie nicht "die Wahrheit", ist dem Einzelnen eine
gueltigen Erlebensersatz zu schaffen.

     Hierin unterscheiden sich Wissenschaft und Kunst; selbst
wenn sie zuweilen teilweise zusammenzufallen scheinen.  (sich
gegenseitig zu ueberschneiden scheinen.)  Anders ausgedrueckt: wo
die Wissenschaft einen gueltigen Erlebensersatz schafft, da tut
sie es zufaellig nur.  Nicht aber als Wissenschaft.

     Es ist das Wesen der Kunst, dasz sie unsere Lebenswelt
verwandelt, und dasz sie durch diese Verwandlung dem Erleben neue
und oft weit ausgedehntere Grenzen setzt.  Dasz sie der
Einbildungskraft und der Erinnerung andere Szenen, andere
Gestalten bietet.

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