19980206.01

     Schon die aristotelische Betonung des Tuns dem Machen
gegenueber besagt eine Betonung des Subjektiven gegenueber dem
Aeuszerlichen. Denn so der Mensch handelt, kommt in seiner
Handlung sein Wesen zum Ausdruck. Hingegen, wenn er etwas baut,
sei es ein Haus, eine Maschine, eine kunstwerk so besagt die
unabhaengige Existenz des Machwerks eine Herabsetzung des Ichs
das es schuf.

     Diese Erwaegungen werfen ein neues Licht auf das biblische
Bilderverbot. So wie das Bild als die vom Menschen geschaffene
Pseudowirklichkeit die Ehre Gottes beeintraechtigt, so setzt es
auch die Integritaet des schaffenden Subjekts herab insofern als
das Geschaffene seinem Ich zur Konkurrenz wird.

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     Meine Erwaegungen leiten mich immer sicherer und unfehlbarer
zu der Ueberzeugung, dasz der Gottesbegriff, oder vielmehr das
Gotteserlebnis selbst, ein unentbehrliches Bestandteil des
Erlebens ist. Das Bewusztsein dieser Unentbehrlichkeit soll
Glaube heiszen.

     Die Tatsache dasz der Einzelne sich dieser
Unentbehrlichkeit, sich dieses Verhaeltnisses nicht immer bewuszt
ist, besagt wenig sie zu widerlegen, denn seine Gedanken sind ja
im allgemeinen auf das Erreichen (die Bewirkung) praktischer
Ziele gerichtet. Und _dazu_ is die Gottesahnung ueberfluessig
wenn nicht gar stoerend.

     Wie bei reger Betaetigung der Mensch fuer Gott und
Gottesangelegenheiten nicht Zeit noch Kraft zu eruebrigen vermag,
so auch die Gesellschaft wenn sie sich in reger Taetigkeit in
raschem Wandel befindet. Zwar fuer aeuszerliche Gottesverehrung
sind immer Zeit und Kraft verhanden es ist aber nicht diese,
sondern die inwendige um welche es geht, und zur Verinnerlichung,
zur Anbetung des inwendigen Gottes hat weder der handelnde Mensch
Zeit noch ist die handelnde Gesellschaft bereit sie ihm zu geben.

     Es ist in diesem Zusammenhang tunlich zu fragen, unter
welchen Umstaenden, oder ob jemals die Gesellschft zur inwendigen
Gottheit eine Beziehung unterhalten kann ( establish, entertain a
relationship) und wenn dies nicht moeglich ist, was es denn
bedeutet, dasz eine Gesellschaft dies dennoch beansprucht.  Mit
dieser Frage sind wir auf das schwierige Gebiet der oeffentlichen
Religion geraten.

     Das Urteil, dasz die Gesellschaft unbedingt
religionsunfaehig sein sollte, ist vielleicht uebermaeszig
schnellfertig, und beruht auf dem Vorurteil welches die
Abhaengigkeit des inwendigen Menschen von der Gesellschaft
verneint.  Diese Abhaengigkeit besteht aber: und wo sie besteht
da musz auch eine die Moeglichkeit wenn nicht die
Wahrscheinlichkeit einer Funktion der aueszerlichen Religiositaet
vermutet werden.

     Die Betonung der Innerlichkeit, welche in den Schriften
Kierkegaards, in der Existenzphilosophie, und auch in meinem
eigenen Denken so schwer wiegt, musz aber als eine Gegenwirkung
auf ein gegebenes historisches Milieu verstanden werden, auf
Umstaende naemlich welche durch eine ungeheuerlichen Zuwachs
(accretion) in der Anzahl des Menschengeschlechts bezeichnet
sind, durch den Aufschwung der Metteilungswirksamkeit, durch den
Verlust von Wildnis, Wueste und Einsamkeit; so dasz die Umwelt
mehr und mehr einem Gefaengnis zu aehneln scheint, in welchem die
Menschen zwar in groszem Luxus und in fast vielliger
Gefahrlosigkeit (Sicherheit) aber ihrer aeuszeren Freiheit
beraubt, leben.  Da gibt es keine Flucht in die Natur.  Der
einzige Fluchtweg geht nach innen.

     Ich kann mir Umstaende vostellen, wo es anders waere. Wie
villeicht in Amrika vor dreihundertfuenfzig Jahren, als die
ersten Siedler in verteilten Huetten wohnten. Da kann ich mir
vorstellen, dasz die wendung nach innen ein Notbehelf war um die
schreckenvolle Einsamkeit ertraeglich zumachen, dasz aber die
ausdrueckliche, ausgesprochene Sehnsucht auswaerts ging, to the
populous cities, of which Milton wrote, that they please us, with
the busy hum of men".

     Dies alles mag widerspruechlich klingen.  Aber nichts zu der
Beschreibung des Menschendaseins beitraegt soll verschwiegen
werden.

                            * * * * *

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