19980302.00
Man musz sofort erkennen, und zugeben, dasz nicht nur der
Versuch objektiv zu beweisen, dasz die Subjektivitaet die
Wahrheit ist, oder auch nur der Versuch Subjektivitaet objektiv
zu definieren ein Widerspruch ist, weil eine objektive
Darstellung demgemaesz die Unwahrheit waere; sondern dasz _jede_
objektive Darstellung, auch zum Beispiel die des Begriffes der
Objektivitaet selbst, unwahr sein musz; dasz auch, wo die
Objektivitaet unwahr ist, alle Mitteilung, alle Kommunikation
unter den Menschen zur Unmoeglichkeit wird. Jegliche
Ausfuehrung, welche diese Tatsache ueberschlaegt (ignoriert),
welche sich weigert, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen,
bleibt Geschwaetz. Und darum haftet auch allem das der Mensch
sich als mitteilbar vorstellt, ein gewisses Masz von
Geschwaetzigkeit an. Vernimmt er dies, so ahnt er mit Entsetzen,
wie vereinsamt er ist.
So wird ein grundlegender Widerspruch aufgedeckt, (Zugrunde
liegt ein Widerspruch) dem das Denken nicht entkommen kann. Ein
Widerspruch der sich in verschiedene Formen umgestalten, sich
aber immer nur scheinbar und voruebergehend beseitigen laeszt,
bis die unueberbrueckbare Kluft zwischen Denken und Sein,
zwischen Verstehen und Wirklichkeit aufs neue erscheint.
Es ist die Unzulaenglichkeit des Denkens an welcher das
Anderssein der Wirklichkeit, ihre Unerreichbarkeit, ihre
Transzendentalitaet, zu Tage kommt. Demgemaesz besteht eine
umgekehrte Bilanz zwischen den Anspruechen des Denkens und dem
Begreifen (der Vorwegnahme) einer tatsaechlich unerreichbaren
Wirklichkeit. Je heftiger sich das Denken in die Suche nach der
Wirklichkeit verkrampft, desto unerreichbarer wird ihm das wonach
es strebt. Gerade das Scheitern des Erkenntnisstrebens weist auf
das Dasein einer von ihm unabhaengigen Wirklichkeit. Es ist
nicht das Ergebnis des Erkenntnisversuches, sondern dessen
Scheitern; es ist die Triebkraft des Erkennens, welche das
Dasein, die Existenz, einer ihm ueberlegenen, einer von ihm
abgetrennten, einer ihm transzendentalen Wirklichkeit
gewaehrleistet.
Es ist und bleibt uns unbegreiflich, dasz wir dir
Wirklichkeit nicht zu erreichen vermoegen, dasz sie uns ewig
fremd bleibt, dasz wir, die wir in ihrer Mitten sind, sie dennoch
nicht erfassen koennen; und fast ebenso unbegreiflich ist es,
dasz wir uns trotz allem so kraeftig und innig gedrungen fuehlen
Besitz von ihr zu behaupten, und so zu tun, als besaeszen wir was
uns ewig fremd bleiben musz.
Uns ist die Mangelhaftigkeit des Erkenntnisvermoegens
unertraeglich. Waere uns diese Mangelhaftigkeit annehmbar, dann
stuenden wir zu der uns unerreichbaren Wirklichkeit in
wahrhaftigerer Beziehung.
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