19980306.00

     Es ist an sich schon ein bedeutsames, sinnvolles Unternehmen
zwischen den Fragen: was ist gut? und Was musz ich tun?  zu
unterscheiden. Die Frage "Was ist gut?" oder "Was ist, worin
liegt, das Gute?" projiziert das Wertvolle in die Welt, in den
Bereich des Objektiven. Inbegriffen in diese Frage ist die
Annahme, dasz das Gute fuer alle Menschen das Gleiche ist; dasz
es _ein_ einziges Gutes ist, das ueber den Menschen allen waltet.
Gott also. Sobald man sich aber anstellt, das Gute tatsaechlich
zu definieren, die Grenzen, die Spezifikationen des Guten zu
bestimmen, sieht man dasz dies nur in der Lage der
gesellschaftlichen Homogeneitaet moeglich ist; dasz die
Verschiedenheit der Menschen an und fuer sich unterschiedliche
Vorstellungen des Guten erzeugt. Unterschiede die so lebhaft
(vividly) und grell in den Streitigkeiten um den wahren Gott, um
die Religion in Erscheinung treten.

     Die Frage, was musz ich tun, ist voellig anderer Art.  Es
waere klarer, wenn man fragte: Wie musz ich, angesichts des von
mir mehr oder weniger erkennbar Guten mein Leben verausgaben?
Denn die Handlungsweise welche dem Leben des Menschen peripher
ist, welche fuer ihn nur geringe Folgen, oder gar keine hat,
Muehen die der Einzelne mit einem unwesentlichen (negligible)
Kostenaufwand zu bestreiten vermag, Muehen die kein Opfer
bedeuten, dergleichen nebensaechliche Muehen bieten auf die
Frage, was musz ich tun, keine Antwort.

     Die Frage ergibt sicht nun: Ist der Mensch gut, welcher um
des Guten willen grosze Opfer bringt; oder isr der Mensch gut,
welchem die Handlung um des Guten willen, kein Opfer bedeutet?

     Mag sein, dasz die Frage, Was musz ich tun?  an sich schon
ein Fehler, ein Miszverstaendnis ist.  Ganz gewisz, waere sie
dies, in Anbetracht der Unfreiheit des Willens, angenommen dasz
der Willen als unfrei erkannt wuerde.  Betrachtet man den Willen
als frei und selbststaendig, ist der Mensch wirklich faehig sich
seine Handlungen vorzuschreiben, ja dann ist es schon sinnvoll
von dem Guten als etwas zu sprechen, das der Mensch tun _will_,
und dasz er es tun will, soll wiederum als freier Entschlusz
dedeutet werden.  Ist der mensch wirklich frei, so kann das Gute
nirgends in der Handlungskette einen Zwang auf ihn ausueben.

     Ist aber das Gute unbedingt, so musz sich diese
Unbedingtheit des Guten irgendwie an irgendeinem Glied in der
Ursachenkette geltend machen.  Dabei guckt schon wieder die
Zweideutigkeit hervor, dasz wenn der Mensch etwas tun _musz_, es
unmoeglich ist, dasz er einen freien Willen hat.  Hat er aber
keinen freien Willen, so tut er dieses oder jenes entsprechend
dem wozu er sich momentan, von Augenblick zu Augenblick bewegt
fuehlt.  Das wozu er sich bewegt fuehlt ist Resultante
(Endergebnis) seiner Gedanken und Gefuehle, der Bilder die er
sieht, der Gespraeche, die er hoert, der Buecher die er liest,
der Gefuehle die sich in ihm regen, die in ihm auf und nieder
wallen.  Da bleibt fuer den freien Willen keine Gelegenheit.  (no
occasion, Anlasz)

     Gewisz, ob ein Mensch willentlich ein Bild ansieht oder ein
Buch liest, oder ob diese Handlungen unwillentlich geschehen, das
haengt ab davon, wie man die Freiheit oder Unfreiheit anderer
Handlungen beurteilt, ob der Wille ueberhaupt als frei betrachtet
wird oder nicht.  Doch was der Schauende dem Bilde absieht oder
was der Lesende dem Buch entnimmt, oder der Lauschende der Rede
abhoert: davon hat noch keiner behauptet, dasz es einem freien
Willen unterworfen waere: den das ist Ausdruck seines Wesens und
eine Reflexion unbestimmter Eigenschaften dessen das er
wahrnimmt.  Und diese Beobachtung, dasz der vermeintlich freie
Wille von unverkennbar unfreiem geistigen Erleben abhaengig ist,
(abhaengt) von Gedanken und Vorstellungen gaenzlich jenseits der
Zustaendigkeit des Einzelnen, ueber welche dem Einzelnen jegliche
Macht abgeht, ist entscheidend (ueberzeugend, maszgebend) fuer
die Unfreiheit des Willens und der Handlungen die dem Willen
folgen.  Sind die Handlungen vom Willen abhaengig, der Wille von
Vorstellungen, die Vorstellungen von Gedanken, - die Gedanken
aber sind frei, sind frei von jeglicher Kontrolle von auszen,
sind aber auch frei von jeglicher Kontrolle von Innen, so sind
die Handlungen nicht frei, weil der Wille nicht frei ist, und der
Wille ist unfrei weil die Gedanken und Vorstellungen die ihn
bestimmen unfrei sind.

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