19980308.00

     Die schwierigste unter den Aufgaben die ich mir gesetzt
habe, ist die Erklaerung der mathematischen Erkenntnis.

     Mit den anderen Erkenntisweisen hat es ja auch seine
Schwierigkeiten.  Da gilt es das Wesen, den essentiellen
(notwendigen, unvermeidlichen) Vorgang, z.B. der historischen
Erkenntnis zu begreifen, und hat man dieses geschafft, so lassen
sich alle Ereignisse die sich auf Vergangenheit beziehen,
vergleichbar verstehen, naemlich mittels der Vorstellung von
ihnen als gegenwaertig.

     Vergleichbar geht es mit der gegenstaendlichen Welt der
Dinge, mit der dinglichen Welt, die sich in ewiger Gegenwart vor
meinen Augen erstreckt, und sich mit dauerndem Werden unter
meinen Haenden vergegenstaendlicht, unter meinen Haenden zu
faszbaren Dingen wird.  Ich brauch nur den Ansatz zu machen sie
zu beschreiben, um ihre phantastische Idealitaet mir zu
vergegenwaertigen.  und zu gewahren, dasz obgleich ich die
Vorstellung hege, in einer erkennbaren, vom Geiste beleuchteten,
lichtgebadeten Wirklichkeit zu erkennen und zu wirken; diese
Vorstellung doch letzten Endes unwirklich ist wie ein Traum;
indessen ich tatsaechlich, voellig verirrt, im Dunkeln
herumtapfe, von Augenblick zu Augenblick, von Erlebnis zu
Erlebnis strauchelnd, von Begegnung zu Begegnung wankend, deren
keine endgueltig oder auch nur befriedigend ist, stumbling from
encounter to encounter; none of which is conclusive or ultimately
satisfactory, and each of which is poised to raise more questions
than it answers.

     Zu diesen beiden Erkenntisweisen, der geschichtlichen und
der dinglichen, lkommt nun die mathematische hinzu. Eh ich aber
das was da beim Rechnen vor sich geht naeher bedenke, beschaue
und beschreibe, ist es notwendig das Augenmerk auf den
gesellschaftlichen Rahmen zu lenken in welchem das mathematische
mir erscheint, oder - sollte ich sagen, - mir beigebracht wird,
und zweitens den Rahmen auch in welchem ich mich des
Mathematischen bediene und mich darauf verlasse.

     Ich musz gestehen und anerkennen, dasz es zwei Weisen sind
in welcher ich Mathematik lerne: spielend und uebend.  Spielend
lerne ich sie, insofern mich die Phaenomene bezubern, die sie mir
offenbart, wie etwa die Symmetrie der Zahlen, die kommutativen
und associativen Regeln.  Es spiegelt sich dann die Festigkeit
und Verlaeszlichkeit meines Urteilens ueber die Beziehungen der
Dinge zu einander in der vermeintlichen unabaenderlichen
Gesetzmaeszigkeit der Zahlen und der Beziehungen unter ihnen.
Denn dies ist ja genau was das Einstudieren bedeutet, sei es von
Musik oder Mathematik, dasz mir das unscheinbare scheinbar das
willkuerliche (arbitrary) notwendig wird; dasz ich mir das
Gegebene aneigne.

     Was beim erlernen der Mathematik gescieht, ist dasz sich
mein Gemuet den zu erlernenden Formeln anpaszt, aehnlich wie es
sich der Muttersprache als notwendig und unabaendelich anpastz,
obgleich sie weder das eine noch das andere ist.  In der
Unbedingtheit der sprachlichen wie der mathematischen, besteht
die Mitteilbarkeit. Wir sagen 1+1=2. Das versteht jeder.  Daran
darf keiner zweifeln; Es sei denn dasz einer behauptet 1+1=10.
Das versteht zwar nicht jeder, aber jeder vesteht es der von
Halbleitertechnik einen Begriff hat. Daran darf auch keiner
zweifeln.

     Ich frage: inwiefern liegt das Wissen um die Wahrheiten
1+1=2 und 1+1=10 in der Natur auszer dem Menschen, und inwiefern
liegen diese Wahrheiten in der Natur innerhalb des Menschen?

     Ein Gedankenversuch (thought experiment) Die Mathematik ist
das Geistesgebiet wo Inneres und Aeuszeres am menschen sich
treffen. Anders gesagt: wo der Unterschied von Innen und Auszen
verschwindet: daher die Macht welche die Mathematik ueber den
Menschen ausuebt.

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