19980308.02

     Das empirische Prinzip dringt (penetrates) selbst in das
Verstaendnis unseres Denkens.  Wir erleben unsere Gedanken nicht
anders als wir die Gegenstaende auszer uns erleben.  Die
Erkennis, das Verstaendnis unseres Denkens entwickelt sich aus
dem Erleben von ihm genau wie sich unsere Erkenntnis der Welt aus
unserem Erleben von ihr entwickelt: und sich immer und immer
wieder daran erneuert.  Wir lernen das Denken zu verstehen indem
wir es immer und immer wieder vor unserem Bewusztsein ueben.

     Die kritische Betracthung des Denkens gehoert zu ihm, ist
ein Bestandteil seiner.  Dss Denken, um es technisch
auszudruecken ist seinem Wesen nach rekursiv.  Denken heiszt
ueber das denken denken.  Darum bedeutet Goethes "Ich habe nie
ueber das denken gedacht" soviel wie "Ich habe ueberhaupt nicht
ernstlich gedacht."

     Nur das einfache, naive, kindliche Denken kann behaupten,
dasz es nicht ueber das Denken nachdenkt.  Tatsaechlich aber,
obgleich es immer auswaerts, nach Auszen, auf die Dinge hinzu
strebt, bleibt das Denken in sich selbst gefangen.  Die Bilder
mit denen es sich beschaeftigt sind Gedankenbilder.  Das Denken
kommt nicht ueber sie hinaus.

     Dengemaesz ist das Denken ueber das Denken, das
Theoretisieren, die sogenannte Philosophie das eigentliche, und
das einzige eigentliche Denken.  Und jeder Mensch der denkt musz
sich selbst als Philosoph vorkommen.  Der Grund aber weshalb dies
nicht geschieht, weshalb die Philosophie in so ueblem Rufe steht,
weshalb die (mathemtische) Logik als Antiphilosophie auftritt,
liegt in den gesellschaftlichen Folgen (Implikationen) des
kritischen Denkens.  Denn dieses  beansprucht seinem Wesen nach
ueber sich selbst, ueber die Persoenlichkeit, ueber den
persoenlichen Bereich des Denkers hinauszugehen, und somit in die
Denkbereiche andere Menschen ueberzugreifen; und ihre
individuelle geistige Freiheit zu beeintraechtigen.

     Und da ist es natuerlich, dasz die Menschen sich gegen
dergleichen Uebergriffe in die Bereiche welche sie als die ihren
betrachten wehren, energisch wehren.  Denn gerade insofern sie
wirksam ist, loest die Philosophie die Vereinsamung des Menschen
auf und verbindet ihn auf unerhoerte Weise mit der Menschheit.
Philosophie welche dergleichen Verbindung, dergleiche Herrschaft
ablehnt ist schon deswegen keine Philosophie.  Zugleich (by the
same token) ist das keine Philosophie welches beansprucht (und
erwartet) ohne Ringen von den Menschen angenommen akzeptiert zu
werden.  Der Widerstand mit welchem die Philosophie abgewiesen
wird ist ein Zeichen, ein Index, ihrer Macht.

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