19980309.02
Die Arbeit an meinem Roman habe ich unterbrochen; nur
voruebergehend, hoffe ich, weil ich im Zusammenhang mit
meiner Kierkegaard Lektuere Einfaelle hatte ueber was man
Erkenntnistheorie und Ethik nennt, Erwaegungen mit denen ich
vor fuenfundvierzig Jahren den Anfang machte und die ich
jetzt so gut ich kann zu einem Beschlusz fuehren moechte.
Ich werde daran erinnert, wie Platon, im ersten Buch des Staats,
den Greis Cephalus sich von der oeffentlichen Auseinandersetzung
zurueckziehen laeszt um einen Opfergang zu tun. So etwa komme
ich mir mit meinem Schreiben vor, ueberzeugt, dasz die
Literatur der einzig stichhaltige Gottesdienst ist.
Du weiszt ja, und nimmst es mir nicht uebel, dasz ich
nicht fuer die oeffentliche Religion zu haben bin; ich meine
sogar dasz Du vielleicht meine diesbezuegliche Abneigung
teilst. Mit dem inwendigen Erleben ist es etwas ganz
anderes, obgleich man nicht darueber reden soll, auch nicht
andeutend oder versuchsweise.
Kierkegaard schreibt in der Abschlieszenden
unwissenschaftlichen Nachschrift:
Saaledes protesterer Christendommen mod al
Objektivitet; den vil, at Subjektet uendeligt skal bekymre
sig om sig selv. Det, den sp/orger om, er Subjektiviteten,
f/orst i denne er Christendommens Sandhed, hvis den
overhovedet er, objektivt er den slet ikke. Om den kun er i
et eneste Subjekt, saa er den kun i ham, og der er st/orre
christelig Glaede i Himlen over denne Ene end over
Verdenshistorien og Systemet, hvilke, som objektive Magter,
ere incommensurable for det Christelige.
"In dieser Weise protestiert das Christentum gegen alle
Objektivitaet; es will, dasz das Subjekt sich unendlich um
sich selbst bekuemmere. Wonach es fragt ist die
Subjektivitaet, erst in dieser ist die Wahrheit des
Christentums, wenn sie ueberhaupt ist; objektiv ist sie
schlecht garnicht. Wenn sie nur in einem einzigen Subjekt
ist, so ist sie eben nur in ihm, und es ist groeszere
christliche Freude im Himmel ueber diesen einen als ueber
die Weltgeschichte und das System, die - als objektive
Maechte - fuer das Christliche inkommensurabel sind."
Ich glaube in diesem Sinne kann das Schreiben die Weise
sein in welcher der Mensch sich um sich selbst bekuemmert:
ich kenne keine gueltigere. Hat das Schreiben diese Bedeutung
im Leben des Einzelnen, dann ist die Veroeffentlichung
nebensaechlich, vielleicht sogar stoerend. So jedenfalls lege
ich mir den Sinn des Unsinnigen das ich tue zurecht, wobei
ich Dich fuer die Aufdringlichkeit meiner Betrachtungen um
Entschuldigung bitte.
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