19980310.02

     Man setzt voraus, dasz die Wirklichkeit des Geschehens und
der Dinge, irgendwie grundsaetzlich den Worten die diesen
Ausdruck geben vorausbesteht, dasz die Worte aud die gedanken,
und die Gedanken dem Erleben, und das Erleben dem wirkend
Bestehenden irgendwie folgen.

     Vieles spricht fuer diese Annahme; aber auch manches
dagegen.  Besonders in bezug auf die Entwicklung theoretischer
(philosophischer) Gedankengaenge wirkt es nachteilig.  Denn
mancher Versuch dem Erleben und den Gedanken Ausdruck zu
verleihen ist vermutlich daran gescheitert, dasz es an Gedanken
mangelte dem Erleben Ausdruck zu geben, dasz es an Worten
mangelte, den Gedanken Ausdruck zu geben.  Und viel Dunkel ist in
der Philosophie toleriert worden, and much obscurity has been
tolerated in philosophy on the premise of a discrepancy between
thought and language; that the proper words to express the
profundity of the ideas could not be found or were simply not
available.

     Dergleichen Erklaerungen sind meines Erachtens verfehlt.  Es
ist die Sprache mit ihrem schoepferischen Reichtum welche primaer
ist, welche nicht nur erst die Begriffe ermoeglicht, sondern auch
das Erleben ermoeglicht, welches in Begriffen und hernach in
Worten seinen Ausdruck findet.

     Es ist aus dem Spiel mit Worten, dasz die Philosophie
entsteht, und es sind Worte welche ihr Sinn, Inhalt und Bedeutung
geben.  Zwar scheint die neuzeitliche Philosophie dieser
Behauptung zu widersprechen, insofern als sie es als ihre Aufgabe
betrachtet die tiefsten Ueberlegungen und die scharfsten Gedanken
in Worte zu kleiden, und durch Worte zu vermitteln.

     Es liegt nahe zu behaupten, dasz sie sich taeuscht; dasz sie
tatsaechlich die Begriffe von denen sie die apriorische Existenz
voraussetzt erst auf Grund der Worte um die sie mit solcher
Zaehigkeit ringt, erfindet; dasz sie sich (und uns) mit der
behaupteten Urspruenglichkeit der Gedanken taeuscht.  Waere das
der Fall, dann wuerden viele theoretisdche Probleme, die jetzt
unloeslich erscheinen, ein neues Gepraege (complexion) bekommen.

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