19980403.00

            Der Schriftsteller als Held und als Opfer

     Es liegt denn doch wohl tief im Wesen der geistigen
Gemeinschaft der Menschen, dasz derjenige welcher diese
Gemeinschaft bestimmt und ordnet, im gegebenen Falle, der
Dichter, zugleich Held wird und Opfer. Held wird er, insofern
scheinbar jedenfalls hinfort die Gemeinschaft ein Ausdruck seiner
eigenen Geistigkeit wird.  Er erscheint wie ein Gott, oder
jedenfalls, wie ein Halbgott, insofern es seine Worte sind,
welche die Welt schaffen; wie denn ja auch mythisch die Welt
durch die (dichterhaften) Worte Gottes geschaffen wurde; und wie
denn ja auch jedes ernste Wort ein heiliges, die Verkuendigung
des Goettlichen, das Wort Gottes ist.

     Opfer aber wird der Dichter, insofern er ernst und ernst zu
nehmen ist, eben weil er das was er darstellt, nicht zu sein
vermag.  Weil sein Leben und Wirken als Dichter notwendig und
unvermeidbar seinem Leben und Wirken als Mensch widerspricht.
Weil sein Leben und Wirken als Mensch notwendig und unvermeidbar
seine Dichterworte luiegen straft.  Je wahrer sein Wort die
Wirklichkeit andeutet, umso deutlicher erscheint die Tatsache
dasz der Dichter, obgleich er das Goettliche verkuendet, selbst
nur Mensch ist.  Je groszartiger die Darstellung des Wahren, umso
unvermeidlicher wird der Darstellende das Opfer der Wahrheit die
er verkuendet; umso greller erscheint der Darstellende in
menschlicher Unzulaenglichkeit und Unwahrheit; und musz so
erscheinen eben weil er Mensch ist, und weil Menschsein Versagen
und Fehlerhaftigkeit und Irrtum bedeutet.

     Nimmt der Dichter seine Aufgabe ernst, und tut er es nicht,
so ist er kein Dichter, so erkennt er es als seine Aufgabe die
Wirklichkeit der Welt, so wie sie ist, zu beschtreiben, und somit
auch zu beklagen.  Somit vermag er der Aufgabe, sich selbst zu
enthuellen, wie er ist, nicht entgehen.  Diese Enthuellung aber
ist unendlich demuetigend, denn der Mensch, und der Dichter als
Mensch, has eine Existenz ja auch auf der Ebene der Vorstellung.
Sagt der Dichter ueber die Welt die Wahrheit, so sagt er die
Wahrheit auch ueber sich selbst.  Indem der Dichter die Wahrheit
ueber sich selbst aussagt, richtet er sich, und macht sich selbst
zum Opfer.

     Aehnliche Erwaegungen bieten sich mir wenn ich Kierkegaard
lese: Nicht nur die Phantasie ueber der erbrochenen Schreibtisch
zu Anfang von Enten Eller, sondern auch in der Karikatur des
komischen, uneigentlich existierenden Professors in der
Nachschrift, in der Beschreibung der Liebe in Kjerligens
Gjerninger, welcher der Verfasser doch unmoeglich genuegen
konnte, in dem verzweifelten so unendlich wuerdelosen Angriff auf
die Kirche am Ende des Lebens, dies ins besondere, im allgemeinen
aber in seinem Anspruch das Hoechste und Groeszte anzudeuten,
welche doch schon im Versuch eine Ueberheblichkeit ist.

     Das gottaehnlich Werden, worum es schon im Paradies ging,
die Nachfolge Christi welche anzustreben die Pflicht eines jeden
Christen ist, und welche bei dem wirklichen Dichter in seiner
Dichtung zum Ausdruck kommt, das alles sind anspruchsvolle
Muehen, welche den der sie auf sich nimmt zum Opfer bestimmen,
wie Adam durch sein gottaehnlichwerden wollen zum Opfer wurde, so
vom Gesichtspunkt des Menschlichen weil er sich selbst als Sohn
Gottes, also als goettlich ausgab, wurde auch Jesus das Opfer;
und jeder der Jesus nachfolgt wird aehnlich zum Opfer, weil er
verlangt goettlich zu werden.  Vorgeblich wird der das Goettliche
Beanspruchende zum Opfer weil die Menschen den Gottaehnlichen
nicht ertragen, weil sie ihn verachten, steinigen, kreuzigen.
Jesaja sagt praegnant, dasz wir ihn als den von Gott geschlagenen
betrachten; ist es nicht unentrinnbar, (inescapable), dasz der
Gottaehnliche tatsaechlich der von Gott geschlagene ist?  Deuten
nicht Jesus' Worte vom Kreuz, "Mein Gott, warum hast du mich
verlassen" darauf hin, dasz, was ja logisch schon aus Gottes
Allmacht flieszt, der Herrgott bei der Kreuzigung seine Haende
mit im Spiel hatte, und dasz die roemischen Soldaten die Jesus
ans Kreuz nagelten nicht nur dem Gesuch des Judenvolkes und den
Anordnungen des roemischen Landpflegers gehorchten, sondern dasz
es letzten Endes der Wille und die Ordinanz des hoechsten Gottes
war, den sie befolgten?

     Die Paradoxie des gottaehlichen, und deshalb geopferten
Dichters dessen Worte die Welt schaffen in welcher alle die sie
hoeren hinfort leben muessen; diese Paradoxie scheint mir ein
Abglanz der ungeloesten Widerspruechlichkeit menschlicher
Existenz, welche dadurch dasz sie angekuendet wird, nicht um das
Geringste der Loesung naeher gebracht wird.

     Also warum dann eigentlich die Muehe des Darstellungs, des
Erklaerungsversuches? Auch er, wie mir schein, ist Eigenart des
Menschenwesens, den anstrengen zu muessen unser, mein Schicksal
ist.

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