19980425.00
Warum habe ich zehn Tage vergehen lassen, seit ich zuletzt
in dies Tagebuch eingetragen habe? Und warum sind Wochen
hingestrichen seit ich ernstlich an den theoretischen Aufsaetzen
gearbeitet, und Monate sogar seit ich zuletzt dem Roman etwas
hinzugefuegt habe? Wohl weil ich anderweitig beschaeftigt
gewesen bin; mit den Plaenen fuer den Umbau an 174 School Street,
mit der Betreuung der Enkelkinder, mit der Pflege von Margrit und
ihrem gebrochenen Arm, mit Investitions entscheidungen betreffs
des Kapitals, mit dem Durchstoebern von Kierkegaards Schriften,
und letztlich mit Reparaturen und sonstigen Aufraeumungsarbeiten
hier in Konnarock.
Dabei ist es komisch, - in einem Sinne den ich Kierkegaard
verdanke, dasz ich ueber mich selbst, ueber mein Tun und ueber
mein Nichttun Gericht halten sollte, komisch eben darum weil ich
mit dem Richten eben noch mehr Zeit und Kraft verausgaben wuerde,
und ich somit zu entscheiden haben wuerde ob dieses Richten der
Muehe und Zeit wert sei, bei welcher Entscheidungsaufgabe die
Endlosigkeit und Hoffnungs losigkeit des Richtens und
Entscheidens klar in Erscheinung traete.
Dieses so tief eingewurzelte Verlangen nach ratio, nach
Vernunft, nach dem idealen (oder idealisierten) Vorbild, mittels
welchem der Mensch sein Leben zu beherrschen, zu kontrollieren,
zu steuern sucht. Welches sich dann am Ende doch als hinfaellig
erweist. Genauer betrachtet, als das verfaenglichste von allen
Goetzenbildern die der Mensch sich ausmalt. "Siehe die Lilien
auf dem Feld," so steht es geschrieben. Sollte etwa jener Aufruf
die Ureinladung zu dem gewesen sein, was man heute "existieren"
nennt?
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