19980604.00
Hat Kierkegaard recht, wenn er die fortschreitende
Verinnerlichung wenn er das Subjektivwerden als Erloesung, als
Seligwerden, als Seligkeit auslegt?
Es fragt sich, ob Seligkeit so bezeichnet die Erfuellung
dieses Lebens ist oder eine Flucht von diesem Leben fort, in ein
anderes. Man moechte behaupten, dasz die Verinnerlichung der
Mannigfaltigkeit, der Buntheit des Lebens nicht gerecht zu werden
vermag.
Der Ausdruck Innerlichkeit ist mir verdaechtig. Er ist,
wenn ich es recht verstehe auf das Erleben des Einzelnen, auf das
Persoenliche, auf das Private gemuenzt. Innerlich weil er nur
von dem Einzelnen wahrgenommen wird, waehrend das Aeuszerliche
vermutlich der ganzen Gesellschaft, dem ganzen Volk erscheint.
In dieser Beschraenkung des Begriffes liegt jedoch ein
Verkennen der Besonderheit und Einzigartigkeit der Wahrnehmung
des Aeuszeren nicht weniger als der nach Auszen zielenden
Handlung. Dasz sie nach Auszen gerichtet ist bedeutet keineswegs
dasz sie anderen zugaenglich sind. Zwar moegen sie von anderen
wahrgenommen werden, was aber lange noch nicht heiszt, dasz sie
auch von anderen verstanden sein sollten.
Ich glaube das wirkliche Erleben des Menschen so zu sagen
auf das Innere zu schieben, was immer das Innere sein moechte,
ist eine unerlaubte Vereinfachung. Denn alles was der Mensch
erlebt kommt urspruenglich von auszen auf ihn zu, und was er tut
wirkt (gleichfalls) in einer Welt die auszer ihm ist.
Nein, die kritische Spannung entsteht nicht zwischen Innen
und Auszen; auch nicht, Kierkegaard ungeachtet, aus dem Streit
des Endlichen mit dem Unendlichen: sie entsteht aus den
widerstrebenden (conflicting) Bestimmungen des Menschen als Glied
(Zubehoer, appurtenance) einer Gesellschaft der er fortwaehrend
entwaechst; und als nach Unabhaengigkeit draengende Kraft die
sich ihrem Wesen gemaesz dieser Gesellschaft widersetzt. Dies
Beides: die Einfuegung in die Gesellschaft in Abhaengigkeit von
ihr, und die Abloesung von der Gesellschaft die sich aus den
Menschen Selbstbewusztsein ergibt, sind die Maechte welche das
Leben spannen.
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