19980618.02
Ich glaube man kann die Problematik des Erkennens als
Ausdruck ungebuehrlicher Individualisierung erklaeren. Nicht
dasz mit der Erkenntnis der tatsaechlichen Gesellschaftlichkeit
des Wissens die erkenntnistheoretische Problematik behoben
wuerde. Nein, die Problematik bleibt bestehen; denn sie wird ja
nicht kuenstlich geschaffen, wird nicht vom Denkenden erfunden.
Die erkenntnistheoretische Problematik ist ein Spiegelbild des
menschlichen Daseins, menschlicher Natur. Der Ausdruck aber,
unser Verstaendnis von dieser Problematik, das ist die Folge der
abendlaendischen Ideologie der Individualisierung welche so tiefe
Wurzeln in der griechischen sowohl als auch der juedischen
Ueberlieferung hat, dasz wir sie nicht als Ideologie erkennen
sondern als Natur.
Und vielleicht ist es uns die hoechste Aufgabe die
Doppelgestalt des Menschlichen als Person und als Gesellschaft zu
begreifen; und somit dem Versuch der unbedingten, unbeschraenkten
Individualisierung abzusagen.
Es ist nicht zu verkennen in welchem Masze die
monotheistische Gottesgestalt die Apotheose der
Individualisierung darstellt. Der hebraeische Gott ist der
vollkommene Individualist. Er ordnet alles, er schafft alles, er
beurteilt alles: mit eigenen Worten, aus eigener Kraft, aus
eigenem Geist. Dagegen war die Goettervorstellung der Griechen
bei weitem realistischer. Denn der Griechen Goetter Macht war auf
die zwar goettliche Vergesellschaftung gegruendet und war durch
diese beschraenkt, in Bezug auf das Wissen so viel wie auf das
Handeln. Sie hatten voreinander Geheimnisse, wenngleich die
Menschen keine Geheimnisse vor ihnen haben konnten. Ins komische
gezogen: Zeus' Handlungsfreiheit war durchaus durch Hera
eingeschraenkt.
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