19980722.00
Die Psalmen, so scheint es mir, sind geschichtlich
verstanden der Durchbruch des Selbstbewusztseins, des
Ichbewusztseins, in die hebraeische und somit in die
abendlaendische Seelenwelt. Hier wird der Gott des Volkes, "Mein
Gott." Hier wird das Verbot Gottes Namen zu nennen umgedeutet
als Verbot ihn oeffentlich, objektiv zu nennen. In den Psalmen
wird das Gebet entdeckt - oder erfunden.
Eine Verwandlung des Gottesbewusztseins, so scheint es mir,
ist auch in der Ernennung des Koenigs einbegriffen. Denn im
Koenigreich wird die Macht persoenlich. Der unumschraenkte
Herrscher ist keinem Gesetz, ist keinem Gott unterworfen, ist
selbst Gesetz, ist selbst Gott. Der morgenlaendische Despot
waehnt sich auszer- und oberhalb der Suende. Eine solche
Stellung macht ihn zum Goetzen. Die Bedeutung der Plagen ueber
Aegypten, als Beweis der Uebermacht (superiority) des
hebraeischen Gottes, als Hinweis, dasz selbst die Macht Pharaohs
der des israelitischen Gottes unterliegt. Der hebraeische Koenig
ist ein Herrscher anderer Art. Er ist weder Gott noch Gesetz;
sondern dem goettlichen Gesetz unterworfen. Er ist Mensch und
als solcher der Suende und dem Gericht Gottes anheimgegeben. Der
israelitische Koenig aber ist Gott und Gottes Gesetz unterworfen.
Deshalb musz er, darf er, kann er suendigen.
Die Beziehung des Koenigs, des weltlichen Herrschers zu dem
auszerweltlichen Gott, welches in dem Psalmen erklingt,
bezeichnet die ganze abendlaendische Transzendentalpolitik bis in
das heutige Oval Office. Diese Beziehung, das Verhaeltnis der
Gesetzlichkeit, erkenne ich als die Grundlage der
verfassungsmaeszigen Regierung.
Die Psalmen bilden, wie mir scheint, ein wichtiges Stadium
in der Verinnerlichung des juedisch-christlichen
Religionserlebnisses. In den Psalmen darf der Name Gottes im
Rahmen einer verinnerlichten Theologie aufs neue genannt werden.
und der weltverbreitete Ruhm dieses Namens, anerkannt.
So ist der Widerspruch zwischen dem verinnerlichten geheimen
Gott, und dem oeffentlich anerkannten Schoepfer und Herrscher der
Welt schon in der Gruendung des Koenigreiches zu erkennen, der
Widerspruch der in der Inkarnation seinen vollendetsten Ausdruck
hat.
Die Legitimitaet jeglicher Gesetzlichkeit ist goettlich.
Ein Gesetz welches goettlicher Rechtfertigung entbehrte waere
ipso facto abgoettisch.
Die Theokratie widerspiegelt die Problematik oeffentlicher
Religion; die seelischen Folgen (implications) der
Vergesellschaftung.
Dasz das Gesetz von Gott, dasz das Gesetz goettlich sein
sollte, ist mit die bedeutendste Erbschaft des Judentums.
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