19981027.00

     Ich suche eine Grundlage, eine Basis, eine Arche meines
Denkens.  Ich suche den Ort (topos) zu dem ich zurueck zu
fluechten vermag, um mich zu orientieren, wenn ich, wie nicht
selten geschieht, mich im Denken verirrt, verlaufen habe.  Ich
suche die Geistes und Gemuetsverfassung, auf welche ich mich
verlassen kann.  Herkoemmlich benennt man diesen Ursprung als
Gott, der ja auch vermeintlich der Schoepfer aller Dinge ist, und
dementsprechend wissen sollte worum es geht.  Das Problem dann
aber ist, wie waere Gott zu finden?  Deutet man, andererseits das
Goettliche in spinozistisch mystischem Sinne als subjektive
Unterlage der Welt, als Projektion (Entwurf) der Subjektivitaet
ins Weltall, so werden mit dieser Annahme (Hypothese) grosze
Schwierigkeiten uebersprungen.  Ob und wie praktisch (brauchbar,
nuetzlich) ein solche Annahme werden moechte, soll dahingestellt
bleiben.

     Tatsaechlich aber finde ich die Grundlage meines Denkens in
geuebter, geschulter, disziplinierter Selbstbesinnung.  Dasz sie
geuebt und geschult ist, heiszt dasz sie nicht von Natur aus
besteht, dasz sie anerzogen, und dementsprechend gewissermaszen
gekuenstelt ist.  Aber daran laeszt sich nichts aendern.  Das
ungeschulte ungeuebte Gemuet ist brach.

     Sollte sich diese Grundlage meines Denkens mit Gott
verwechseln lassen?

     Der Rueckweg meines Denkens fuehrt mich stets zu demselben
Ort, oder jedenfalls zu einem Ort welchenr ich im Laufe der
Wochen Monate und Jahre als denselben zu erkennen meine.  Fraglos
vermoechte ich diesen Ort der Selbstbesinnung als Gott oder als
goettlich, als begeistert (inspired) bezeichnen; wie mir Platon
zu tun scheint.  Nuetzlicher aber (more useful) ist zu
beschreiben, wie ich dorthin gelange.

     Der Ort der Selbstbesinnung ist eine notwendige,
unvermeidbare Gemuetsverfassung, eine Synthese, ist Folge,
Ergebnis einer lebenslangen Entwicklung in welcher die gesammte
geistige (und physische) Welt in der ich lebe einbezogen zum
Ausdruck kommt.  Der Ort der Selbstbesinnung ist ein geistig-
seelisches Kunstwerk, an dem ich von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr
arbeite.  Er bedarf eines groszen Aufwandes an Kraft und Muehe
und Sorge ihn zu pflegen. Und diese Pflege, so scheint es mir,
ist denn auch die einzig gueltige Betaetigung: der einzig
endgueltig sinnvolle Kraftaufwand.  Der Ort der Selbstbesinnung
ist ein Ort Der Zustand der Selbstbesinnung ist ein Zustand der
tatsaechlich stets im Wechsel ist, wenn auch nur um ein geringes,
ein Zustand welchen ich aus dem erinnerten Bewusztsein meiner
vergangenen Gemuetszustaende als einen einzigen, quasi
unwandelbaren betrachte, obgleich ich weisz, dasz er tatsaechlich
in bestaendigem Wandel ist, abhaengig auch von der
gesellschaftlichen Mitwelt in welcher ich mich befinde (with
which I interact).  Diesem Bewusztsein, und dieser
bewusztseinshaften Besinnung vermag ich nicht zu entgehen.
Zuweilen, und manchmal fuer laengere Zeit mag es mir gelingen
diese Besinnung zu vergessen, sie zu uebersehen, to become
oblivious or forgetful of it; aber in jedem Augenblick indem ich
mich auf die moegliche, wahrscheinliche, unvermeidliche
Fehlerhaftigkeit, Unzulaenglichkeit meines Denkens gewahr werde,
musz ich, kann ich nicht umhin, mir diese Besinnung zu
vergegenwaertigen.

     Dasz dergleichen Selbstbesinnung auf welche sich die
Gueltigkeit meines Denkens stuetzen soll, nicht verlaeszlich ist,
liegt auf der Hand.  Aber diese Unverlaeszlichkeit entspricht
unvermeidlich der Hinfaelligkeit meines Denkens ueberhaupt; eine
Hinfaelligkeit welche zu uebersehen zwar Gepflogenheit ist, deren
Erkenntnis jedoch, dies ich weisz, dasz ich nichts weisz, die
Basis allen vernuenftigen verantwortungsvollen Denkens ist.

     Ist dies vorausgesetzt, that there is no ultimate assurance
of certainty of the certain validity of my thinking, indeed that
its (relative) invalidity is inescapable, it is nonetheless
necessary to come to terms with the fact that, being to some
extent useful as it is, my thinking must have some relative
validity; and discarding all claim to the absolute, it is
incumbent on me to ascertain those facets or features of my
thinking which make it relatively more useful, more true, less
misleading and less invalid.

     Diese Selbstbesinnung ist nicht nur der aesthetische und
ethische Kern meines Wesens.  Diese Selbstbesinnung ist auch die
Grundlage meines Denkens und meines Wissens.

     Ich wuerde es vorziehen (I should prefer), mich auf einen
festen, verlaeszlichen, unwandelbaren Ausgangs- und
Rueckhaltspunkt fuer meine geistige Taetigkeit verlassen zu
koennen.  Aber das einzige, das ich finde, ist mein
augenblickliches Erleben, dessen Festigkeit und
Unveraenderlichkeit ich letzten Endes doch nur als Illusion, als
Einbildung erkennen musz; so dasz dem entsprechend die Grundlage
des gesammten Denkens ins Schwanken zu geraten scheint.  Was mir
die Richtlinien meines Denkens erhaelt ist das unablaessige
Streben meines Willens, und die nie endende Taetigkeit welche
dieser anspornt.  Einen Halt, ein Richtmasz, einen festen
Ausgangspunkt der auszer mir liegt, finde ich nicht.

     Wenn ich nun voelling nuechtern und sachlichr die
offensichtlich Gueltigkeit dieser Begruendung des Denkens zu
erklaeren mich anstelle

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