19990515.01 Es wirft ein ganz anderes neues Licht auf die Erkenntnistheorie und verschafft vielleicht auch Erlaeuterung manch bisher unverstaendlicher Probleme, wenn man im Zusammenhang mit dem Audruck "Wissen" den Unterschied hervorhebt zwischen dem "Wissen was" und "Wissen wie". Das Aufwerfen der Fragen an sich, deutet schon auf das Ausmasz in welchem wir uns Wissen als Wissen von "Tatsachen" vorstellen. In der Erfindung des Begriffes der Protokollsaetze vor achtzig Jahren im Wiener Kreis fand diese Verbegrifflichung des Wissens einen kristallartigen Ausdruck. Und wenn wir auch heute nicht mehr von Protokollsaetzen schwaermen, so liegt doch die Vorstellung des Gewuszten als einer "Tatsache" ganz an der Oberflaeche des Bewusztseins, Von solch Tatsachenbewusztsein sind die Lehrbuecher durch traenkt; von ihm werden Vorlesungsreihen gestaltet. Solch Tatsachenbewusztsein liegt der modernen Examenstechnik zugrunde, und der Geist des Schuelers (von dem des Professors ganz abzusehen) wird als Tatsachenspeicher vorstellt, dessen Wert von seinem Umfang, und von der Genauigkeit mit welcher gespeicherte Tatsachen wieder hervorgeholt (retrieved) werden koennen. Die praktische Brauchbarkeit (Nuetzlichkeit) dieser Geisteseinrichtung liegt auf der Hand, besonders seit Druckkunst und elektronische Datenverarbeitung das Sammeln und Speichern und Wiedergeben von Tatsachen unendlich erweitert und erleichtert hat. Der praktische Erfolg dieses Wissenssystems jedoch, droht die theoretische Problematik dieses Systems zu verdecken. Denn Tatsache ist, dasz die gewuszten Tatsachen nur in ihren Beziehungen zu einander, und vor allem, in den Handlungen und Handlungsweisen die sie moeglich machen, ihren Sinn haben; und die Problematik der Erkenntistheorie liegt nicht im mindesten darin, dasz man das Tatsachenwissen mit der Handlungsfaehigkeit verwechsele Erkenntnistheorie ist auf den Tatsachenthesaurus gemuenzt, und ist demnach unfaehig die Handlungsfaehigkeit in und mit welcher das Wissen verwirklicht wird zu erklaeren. Wenn man also die Erkenntnistheorie auf eine einzelne Frage beschraenken wollte, so waere keine ergiebiger als nachzuforschen, wie sich gewuszte, oder vermeintlich gewuszte Tatsachen zu den Handlungen die sich aus ihnen ergeben verhalten. Tatsachen sind Saetze, begriffliche, sprachliche Formeln, es sei denn, das der welche sie ausspricht (oder niederschreibt) und der welche sie hoert (oder liest), sie in annaehernd aehnlicher Weise verstehen. Unausgesprochen, ungehoert, ungeschrieben, ungelesen, oder unverstanden, haben Tatsachen kein Bestehen, sind sie nichts. Die Wissenschaft ins besondere, und die geistige Gesellschaft im allgemeinen sind die Zusammenfuegung, - ich vermeide das Wort Summe, - der ausgedrueckten, wahrgenommenen, und (adcequat) verstandenen "Tatsachen". * * * * *

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