19990619.00
Auf der Fahrt habe ich vielfach ueber das nizaenische
Glaubensbekenntnis nachgedacht, und dabei kam mir die Tatsache
ins Gedaechtnis dasz mein Vater, im kirchlichen Gottesdienst,
obgleich er an der sonstigen Liturgie innigen Anteil nahm,
besonders das Kyrie eleison ging ihm nahe, bei dem
Glaubensbekenntnis verstummte, als vermoechte er es als eine
Unwahrheit nicht ueber seine Lippen bringen. Er hat sich,
jedenfalls mir gegenueber, nie erklaert, und ich bin mir nicht im
klaren, ob er sc hwieg, weil er sich nicht zum oeffentlichen
Bekenntnis seines Glaubens, und noch dazu in fremden Worten,
zwingen lassen wollte, oder ob er den befohlenen Saetzen seinen
Glauben vorenthielt. Heute frage ich mich, ob es nicht doch
vielleicht ein ein hochentwickeltes juedisches Feingefuehl
(Spuersinn) fuer das Abgoettische an dieser begrifflichen
Schilderung des Goettlichen war, das ihn dazu bewegte sich davon
zu distanzieren.
Als ich den lateinischen Text nachlas, als ich auf den
Ausdruck Symbolon, mit welchem man das Glaubensbekenntnis
urspruenglich bezeichnete, aufmerksam wurde, Zusammenfassung,
Inbegriff also, da wurde mir klar, das diese Beschreibung des
Goettlichen, seiner Intention wenngleich vielleicht nicht seiner
Ausfuehrung gemaesz, auch ein verbotenes Bildnis ist.
Denn die unverkennbare Absicht dieser Texte ist die Aussage
ueber Gott, die Bestimmung darueber, was Gott ist, die
begriffliche Darstellung Gottes, und ist in dieser Hinsicht
ununterscheidbar von dem Goetzenbild, welche die graphische oder
plastische Darstellung des Goetzen bietet. Diese
Glaubensbekenntnisse waeren also Goetzendienst: kein Wunder, dasz
mein Vater nichts mit ihnen zu tun haben konnte.
Dann dachte ich an die hebraeische Bezeichnung Jahwe.
Leider kann ich kein Hebraeisch; aber man uebersetzt das Wort als
einen Hinweis, "Ich bin der ich bin." Die Anmaszung ihn zu
nennen ruft ihn, (evokes) ruft seine Stimme, sein Ich, seine
Subjektivitaet hervor; und dabei musz es bleiben. Objektiv darf
er nicht dargestellt werden. (Ihn subjektiv darzustellen ist
eine Unmoeglichkeit, ist ein Widerspruch.)
Gesetzt nun die Uebersetzung haette mich verleitet. Wie
stuende es dann mit meiner Theorie? Ist denn, so frage ich, mein
Denken von den historischen Tatsachen abhaengig? Rechtfertigen
historische Tatsachen mein Denken? Und wenn nicht, wodurch _ist_
es gerechtfertigt, wenn es ueberhaupt gerechtfertigt ist?
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