19990621.00 Welches ist der Unterschied zwischen dem Glauben an ein Gegenwaertiges und an ein Vergangenes? Ist es ueberhaupt moeglich an vergangenes Geschehen zu glauben? Darum ist es eine Luege zu sagen: "Ich glaube, dasz Jesus (vor 1970 Jahren) gekreuzigt wurde." Das einzig wahre, was ich ueber Jesu Kreuzigung zu sagen vermag ist, dasz ich weisz, dasz er soeben gekreuzigt wird, und dasz ich hilfloser, ohnmaechtiger, der vielleicht sogar beteiligter Zuschauer bin. Darum ist es eine Luege zu sagen, Ich glaube, dasz Gott (vor unzaehligen Jahren und aus dem Nichts) die Welt geschaffen hat. Denn eine solche Schoepfung liegt so weit von meinem Erlebnisvermoegen, dasz es unmoeglich ist, dasz meine Leidenschaft sie bestaetigen moechte. Das einzig Wahrhaftige das ich ueber Gottes Schoepfung der Welt zu sagen vermag ist dasz ich glaube, dasz sie jetzt, in diesem Augenblick, von ihm neu erschaffen wird. Glaube ist immer nur Glaube an ein Gegenwaertiges; dasz etwas vergangen ist, heiszt dasz es zu Geschichte geworden ist, dasz es mich als Geschichte nur leidenschaftslos beruehrt oder garnicht; dasz es mich wohl interessieren mag, aber dasz es nichts ist, worueber ich mich nicht freuen kann, nichts davor ich mich fuerchten musz. Was heiszt Gegenwart? Was heiszt Vergangenheit? Die mathematische Gegenwart ist dem Geist unerreichbar. Den Knall der Pistole hoere ich erst nachdem er geschehen ist, das Licht eines Feuers sehe ich erst nachdem es entzuendet ist. Die zwischen dem Geschehen und der Wahrnehmung verronnene Zeit betraegt nicht nur die Dauer der Uebertragung, ist nicht nur Folge der begrenzten Geschwindigkeit von Licht und Schall, der Zwischenzeit die vergehen musz, bis Licht und Laut die Augen und Ohren erreichen. Die zwischen dem Geschehen und der Wahrnehmung seinem Begriffe entsprechend (by definition) ist vor allem die Folge der Langsamkeit, der Traegheit der Wirkung auf mein und in meinem Gemuet. Es musz doch ein jeder beobachtet haben, dasz wenn er durch einen starken ploetzlichen Laut erschreckt wird, erst ein Zucken den Koerper aufruettelt, und dasz erst ein Sekundenbruch spaeter der das Zucken verursachende Laut als Schall gehoert und erkannt wird. Ebenso, dasz eine zuweilen nicht unbetraechtliche Zeit verstreichen musz, eh die Bedeutung eines im Gesichtsfeld aufgetauchten Gegenstandes erkannt wird, oder ein vom Ohr vernommener Laut als bedeutungsvolles Wort verstanden wird. Somit ist bewiesen, gezeigt, dasz genau genommen, alles Erleben Erleben von einem schon vergangenen ist. Dasz der Unterschied von Gegenwart und Vergangenheit ein relativer, ein nur verhaeltnismaesziger ist, so dasz manches (alles) juengst Geschehene schon vergangen ist, das wir nur als Geschichte wieder vergegenwaertigen koennen, indessen es auch moeglich ist, dasz etwas chronologisch laengst Vergangenes als gegenwaertig erlebt wird. Ein zeitgenoessischer Tourist auf den Gefilden des einstigen Konzentrazionslagers in Buchenwald bricht ploetzlich in Traenen aus, indem, ihm das entsetzliche das dort geschah gegenwaertig wird. So wurde ein (wahrhaftig) Glaeubiger auch bei der Leidensgeschichte Jesu in Entsetzen, in Traenen ausbrechen, ueberwaeltigt und zerknirscht von ihr. So auch wenn ein geliebter Mensch wegstirbt, ist zuerst der Verlust unbegreiflich; dann steigend schmerzhafter zu einem Gipfel des Leidens, nimmt dann (gradually) ab, bis er gaenzlich zur Gewohnheit geworden ist. Die Gegenwart wird also, genau genommen, nicht chronologisch sondern leidenschaftlich bezeichnet; die Gegenwart ist durch ein leidenschaftliches Verhaeltnis zum Geschehen gekennzeichnet. Der Mensch soll aber nicht, vermag nicht auf dem Gipfel der Leidenschaft zu verharren; und wenn die Leidenschaft in Bezug auf ein Geschehen abgeflaut ist, dann ist das Geschehen aus Gegenwart in die Vergangenheit abgeglitten, ist Vergangenheit geworden. Der (moegliche) Glaube an ein ewiges Leben ist Ausdruck meines Bewusztseins einer ewigen Gegenwart, dasz die Gegenwart, derer ich mir jetzt bewuszt bin keine Grenzen hat, dasz sie, mit anderen Worten, ewig ist. Der Glaube an ein nie endendes Leben, an ein ewiges Leben, welcher so naheliegend ist, zeigt (demonstriert) zugleich die Grenzen des Glaubens, wie es in einer Hinsicht wahr ist, dasz der Glaube faehig ist Berge zu versetzen, in anderer Hinsicht aber unwahr. Diese aktuelle Grenzen des Glaubens, die begrenzte Zustaendigkeit des Glaubens scheint mir von sehr groszer Bedeutung: sie entspricht der Begrenzung unserer geistigen und koerperlichen Verfassung. Es ist unwahrhaftig und unrealistisch die Grenzen des Glaubens zu verleugnen. Denn der Glaube ist menschlich, ist Ausdruck des menschlichen Gemuets; und wie das menschliche Gemuet seine Begrenzungen hat, so auch die Leidenschaft.r Die Leidenschaft ist durch die Vernunft begrenzt. Vieles das der Mensch leisten musz (Much that man must accomplish) und ganz allgemein, das Ueberleben und Gedeihen des Menschen in dieser Welt bedarf der (detached) selbstlosen (detached, disinterested) Berechnung. So sind Berechnung und Leidenschaft, wenn nicht im Kampf, so doch mit einander in Konkurrenz. Manchmal, aber nicht immer bestaerken sie sich gegenseitig. Das sachliche, objektive, gegenstaendliche, wissenschaftliche Bild von der Welt, ist seinem Begriffe entsprechend (by definition) leidenschaftslos, jenseits von Leidenschaft, Hoffnung, Freude und Furcht. Mittels dieses Weltbildes, mittels dieses Verstaendisses der Welt, gelingt es dem Menschen sich in der Welt seinem Begriffe entsprechend (bseinem Begriffe entsprechend (bseinem Begriffe entsprechend (by definition) gelingt es ihm Haeuser und Straszen zu bauen, Computer zu bauen und programmieren, gelingt ihm sich Ziele zu stecken, sie zu suchen, und von Zeit zu Zeit sie vermeintlich zu erreichen. Es ist eine bemerkenswerte Eigenschaft des objektiven Wissens dasz es nie fertig ist, und dasz es doch stets fertig erscheint. * * * * *

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