19991001.00
Ich habe in den Bekenntnissen des Hl. Augustinus gelesen;
bin von der Fremdheit des Ausdrucks beeindruckt, frage mich in
wie weit die Fremdheit des Ausdrucks als Fremdheit der
Erlebnisse, des Erlebens gedeutet werden sollte, der wie viel
Anstrengungen man machen sollte, bei aller Verschiedenheit des
Ausdrucks, das fremde Erleben auf einen gemeinsamen Nenner mit
dem eigenen zu bringen.
Gleichheit oder Verschiedenheit: das sind die Losungsworte
jeglicher literarischen Deutung. Das Postulat der Gleichheit
besagt: Jener ist im Grunde wie ich; sein Erlebniskreis und der
meine decken einander. Das Postulat der Unterschiedlichkeit
besagt: Jener ist im Grunde anders als ich; sein Erlebniskreis
ist dem meinen fremd: Hat mit dem meinen nichts zu tun.
Somit sind der literarischen Deutung zwei verschiedene
Richtungen aufgetan. Die erste Richtung faelscht des anderen
Erleben in etwas meinem Erleben gleiches. Die zweite Richtung
faelscht des anderen Erleben in etwas meinem Erleben fremdes.
Das Verstehen ist aber nicht Darstellung statischer
Verhaeltnisse. Verstehen ist Leben im Geistigen, ist die
Synthese einer geistigen Umwelt, ein Vorgang mit dem auch der
Geist, das Gemuet des Verstehenden verwandelt werden.
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