20000324.00 Die Philosophie Schopenhauers vergleichbar in dieser Hinsicht mit der Geschichtsschreibung Franz Schnabels laeuft am Ende in ein Bestreben hinaus die ganze geiste Ueberlieferung des Abendlandes mit wichtigen Hinblicken auf die indische Kultur, als Einfuerhung und als Unterlage fuer sein eigenes Denken zusammenzufassen. Die vermeinte, inbegriffene (implied) Notwendigkeit eines solchen Vorgehens laeszt auf eine welthistorische Voraussetzung auf seiten Schopenhauers schlieszen, eine Voraussetzung allerdings welche der Historie ein Masz von Wirklichkeit und Gueltigkeit zuschreibt (ascribes) welches mit jenem Idealismus welcher behauptet die Welt sei meine Vorstellung, unvereinbar ist. Es soll unbestritten bleiben, dasz die sogenannte Philosophie im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende bedeutende Einsichten erworben hat: wobei es auf der Hand liegt wobei es augenscheinlich ist, dasz diese Einsichten sich vorwiegend auf die Haltung und Handlung des Denkenden beziehen, und in weit geringerem Masze auf die Ertraege seines Denkens. Diese Ertraege erweisen sich dann auch, betractet man sie naeher, als Ertraege negativer Art: Man stellt fest, nicht was man weisz, sondern was man unmoeglich zu wissen vermag. In diese Einstufing gehoert die Abschaffung des Personengottes, die Feststellung der Fluechtigkeit und Unzuverlaessigkeit der Sinneseindruecke, die Erkenntnis der Welt als nur Vorstellung, die Unerforschbarkeit eines Dinges an Sich. Was sonst an philosopischen These aufgestellt, oder gar vermeintlich bewiesen wurde, ist meist offensichtlich falsch. Bei dem Ueberlesen der schopenhauerschen Gedanken mit all ihrer Scharfheit und Feinfuehligkeit, faellt es auf, dasz er die gesellschaftlichen Grundlagen des Denkens, des Erkennens, der Wahrnehmung voellig unbeachtet laeszt. In dieser Hinsicht ist Schopenhauer ununterschieden von den anderen Denkern welche das Panteon der westlichen Philosophie besetzen. Sie alle, mit Ausnahme vielleicht von Platon, insofern er der das Gespraech, den Gedankenaustausch, nicht nur als Rahmen, sondern als Inhalt des Gedachten benutzte, haben es uebersehen, wie wenig die Sprache, und demgemaesz die Begriffe und das Handeln (Bauen) mit Begriffen Ausdruck des Einzelgemuets sind, sondern dasz das Denken tatsaechlich eine gesellschaftliche Taetigkeit ist: Die Sprache entsteht aus dem Beduerfnis, aus der Notwendigkeit der Menschen sich miteinander zu verstaendigen. Und alles Denken ist ein stilles, lautloses Sprechen; ob es nun an eine reelle oder ideelle Person gerichtet ist, und ist dies sogar wenn der Sinn der Mitteilungs sich noch kaum, oder garnicht, in Worte kleidet, und wenn kein mutmaszlicher Empfaenger des Gedachten auch nur vorstellbar ist. Die Bedeutung dieser unleugbaren Einsicht liegt darin, dasz sich durch sie, dasz sich mittels ihrer, verschiedene Ungereimtheiten des Denkens erschlieszen lassen. Keineswegs dasz sich alle Schwierigkeiten des Denkens durch diese gesellschaftliche Grundlage des Denkens beseitigen lieszen; aber manches Problemtische laeszt sich dadurch ein wenig klaeren: zum Beispiel, die Gueltigkeit des sogenannten wissenschaftlichen Wissens. * * * * *

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