20000415.00
>PP Nicht die Erkenntnistheorie sondern die Wahrheitslehre ist
die grundlegendste aller Wissenschaften. Denn alles Sinnen ueber
Erkenntnis setzt Wahrheit voraus. Unwahre Erkenntnis waere wider-
sinnig.
Der Mensch hat eine Vorstellung von der Wahrheit, wie er
eine Vorstellung von allen anderen Sachen hat, denen er einen
Namen gibt.
Ist Wahrheit eine Gesellschaftserscheinung, d.h. ein
Erlebnis das nur zwischen zwei oder mehr Individuuen stattfindet,
oder ist es sinnvoll zu behaupten, wie die Dichter es tun, dasz
ein Mensch auch sich selbst gegenueber wahr oder unwahr zu sein
vermag. "This above all, to thine own self be true ..." "Werd
ich mich selbst beluegen, dasz ich mir selbst gefallen mag ..."
Ist Wahrheit etwas Intraindividuelles, so weist dieser Ausdruck
darauf hin, dasz der Mensch sich mit sich selbst unterhaelt, dasz
er sich selbst gegenueber Aussagen macht, dasz er sich selbst
widerspricht. Dann waere des einzlnen Beziehung zur Wahrheit
eine innere Dialektik: Die Wahrheit aber waere die
uebereinstimmung von zwei Aussagens, ein Bestehen auf gegebener
behauptung, nichts weniger als systematische Tautologie.
Tautologie ist an sich sinnlos; doch scheint es, dasz
Tautologie als Wahrheit gepriesen wird. WennWahrheit anders als
Tautologie sein soll, musz sie Dialektisch werden, und der
Widerspruch, der Gegensatz der Worte, musz in eine Gegensatz von
Personen, von Menschen, von Geistern umgesetzt werden.
Der Wahrheitsbegriff ist der einzigartige Gesellschafts
ermoeglichende, gesellschaftsschaffende Begriff. Die sinnvolle
Uebereinstimmung der Menschen fordert Wahrheit als ihre
notwendige Bedingung. Und das unvermeidliche Versagen der
Wahrheit, die Luege, bezeichnet dann auch die Wirksamkeitsgrenze
(die funktionelle Grenze) der Gesellschaft.
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