20000420.00 Ich frage mich, in wie fern die Weisheit, die Ruhe und die Heiterkeit des Alters - vgl. Hoelderlin: Ruhig und heiter ist dann das Alter - die Folge des Reifens, und inwiefern sie Zeichen des Absterbens sind, wo es doch denkbar, wenn nicht wahrscheinlich ist, dasz das Reifen und das Absterben im Menschenleben nicht anders als im Leben der Pflanzen ein und derselbe Vorgang ist, von verschiedenen Perspektiven betrachtet. ============ Ich will es voraussetzen, dasz die Welt die ich raeumlich und zeitlich erkenne, durch meine Sinnen und durch meinen Geist verwandelt, und gewissermaszen entstellt wird: dasz ich mir nicht vorzustellen vermag, als was und wie sie unabhaengig von mir bestehen moechte. Und doch musz ich dies annehmen. Warum? Die Annahme, dasz etwas auszer mir und jenseits meiner Kenntnisse, unabhaengig von mir, bestehen sollte hat ihren Ursprung auch in meinem Erleben. Das Ziel, der Zweck meines Denkens und Nachsinnens ist meine Vorstellung von der Welt zu klaeren, zu laeutern, sinnvoll zu gestalten, auf dasz sie im (Ab)laufe meines Lebens gueltiger, sinnvoller, wirksamer, more consistent, sich selbst weniger widersprechend und in der Entwicklung des Zukuenftigen und in meiner Anpassung an die Wandlung der Zeit, zuverlaeszlicher sein moechte. Denn wenn ich einerseits zugestehe und behaupte, dasz das was ich von der Welt weisz, "nichts als" Vorstellung ist, so sind doch diesem meinem Wissen um die Welt seine Grenzen gesetzt. Und diese Grenzen scheiden das was ich weisz, d.h. meine Vorstellung, von dem was ich nicht weisz, von dem was die Zukunft mir verbirgt, von dem was kommen wird. Spreche ich es versuchsweise aus: die mich beruehrende, die mich betreffende Wirklichkeit liegt in der Zukunft, ist also als solche, als Zukunft, mir unereichbar, und wird aber, indem die Zukunft zur Gegenwart wird, mir als Vorstellung - beeintraechtigt, verzerrt, degradiert - gegenwaertig. Denn dasz was ich jetzt nicht wissen, was ich jetzt nicht erkennen kann, das dennoch wirkend und (be)zwingend ist, das kann nichts anderes sein als Wirklichkeit oder wenn ich es so nennen will, nichts anders als Ding, als Gegebenheit an sich. Was aber meine Vorstellung anlangt, so ist das einzige daran das verlaeszlich, das einzige das wahr, dasz einzige das unbedingt, unqualifiziert gueltig ist, meine Vorstellung, d.h. meine idealisierende Erfindung; und deren Gueltigkeit besteht mehr in in ihrer Beharrlichkeit denn in ihrer Wirksamkeit. Die Beharrlichkeit aber ist der Ausdruck einer bestimmten verhaeltnismaeszig unveraenderten bestaendigen (constanmten) Gemuetsverfassung und Struktur. Die geistige Taetigkeit ist nicht die Entdeckung der Wirklichkeit. Sie ist vielmehr die approximierende Anpassung der Vorstellung an die Wirklichkeit: eine Approximierung welche nie vollstaending ist, welche aber gueltig ist jedenfalls in dem Masze, dasz sie mir das Leben, das Ueberleben in der Wirklichkeit ermoeglicht. * * * * *

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