20000521.00 Die frueheste Darstellung ethischer Forderung und mithin die staerkste und eindrucksvollste ist die Paradieseslegende im 1. Buch Mose. Die Forderung gilt dem Gehorsam gegen Gott, welcher als eine bewuszte, sprechende, befehlende menschenaehnliche (anthropomorphe) Person geschildert wird: als ein Herr der seinem Knecht und seiner Magd einen Befehl erteilt, und der sie bestraft als sie diesem Befehl das Gehorsam verweigern. Vorgeblich um seine erhabene Stellung ihnen gegenueber zu bewahren, um das Gottgleichwerden der Menschen zu vereiteln, befiehlt Gott den Menschen, es zu unterlassen vom Baume der Erkenntnis zu essen, Ich bin unsicher welche Bedeutung ich diesem Befehle beimessen soll. Vielleicht besagt er nichts mehr als die urspruengliche Befestigung einer aristokratischen Gesellschaftsordnung, insofern als die gesellschaftliche Ueberlegenheit deren Sicherung der hoechste Gott in eigenem Interesse bewirkt, in aehnlicher, vorbildlicher Weise auch der geringeren menschlichen Herrscherschaft gewaehrt werden soll. Betrachtet man hingegen das im Paradies entstehende Verhaeltnis von Mensch zu Gott als Ausdruck nicht einer gesellschaftlichen sondern als Ausdruck einer geistig-seelischen Wirklichkeit, dann wirkt das Verbot vom Erkenntnisbaume zu essen vorbeugend gegen die Vergoetterung (Vergoettlichung) des Menschen. Im Rahmen der vulgaeren oeffentlichen Religiositaet ist es schwierig, wenn nicht unmoeglich, eine ethische Notwendigkeit fuer die Existenz Gottes zu konstatieren. Der Gott der Ueberliefrung wird als mythische Gestalt empfangen, und seine Wirklichkeit wird mit quasi-aberglaeubischem Beharren behauptet. (Ich meine, die Existenz Gottes fuer welche nur fragwuerdige Evidenz, oder garkeine besteht, wird glaubhaft gemacht, dadurch dass man sie laut genug, und eindringlich genug, behauptet.) Wagt man es aber, und gelingt es, das Gotteserlebnis des Menschen in einer tieferen Perspektive zu betrachten, dann erhaelt jene fruehe einfache Erzaehlung vom Suendenfall der beiden ersten Menschen eine ethisch zwingende Bedeutung. Vorerst faellt eine gewisse Aehnlichkeit des Suendenfalles mit dem Bilderverbot der Zehn Gebote auf. Beim Suendenfall wurde die Erhabenheit und Ueberlegenheit Gottes gefaehrdet dadurch dasz die Menschen zur Erkenntnis des Guten und Boesen gelangten, und sich durch diese Erkenntnis dem Gotte als potenziell konkurrierende Wesen aufdraengten. Beim Bilderverbot wurde die Erhabenheit und Ueberlegenheit Gottes in Frage gestellt indem die Menschen sie in ihrer Vorstellung von anderen Goettern beim Goetzendienst verkannten. Beide Episoden deuten auf die unbedingte ethische Notwendigkeit der Integritaet Gottes, und eroeffnen die Frage welchen Sinn diese unbedingte ethische Notwendigkeit der Integritaet Gottes im geistig-seelischen Dasein der Menschen einnimmt. Um diese Frage anzubrechen, bedarf es einer naeheren theologischen Eroerterung. Man muss sich festlegen, was man denn eigentlich mit dem Ausdruck "Gott" zu sagen meint. Von den vielen moeglichen theologischen Begriffsbestimmungen moechte ich versuchsweise diejenige betrachten, welche sagt, dasz das Gotteserlebnis des Menschen die hypothetische Objektivierung (sag, Vergegenstaendlichung und etwa (perhaps) Vergesellschaftung) von des Menschen inwendigen subjektiven Erleben ist. Das heiszt, wenn der Mensch "Gott" sagt, so meint er die hypothetische, aufs Hoechste potenzierte, verallgemeinerte (objektive) wirkliche Existenz welche alles Erleben und alle Eigenschaften einbegreift welche der Mensch in seinem einsamen inneren Bewusztsein erlebt. Wo der Mensch seine Welt fragmentarisch in seiner Vorstellung von ihr erlebt, wird Gott vollstaendiges und vollkommnes Wissen von allem was die Welt ausmacht zugeschrieben. Gott ist allwissend. Wo der Mensch in Antizipation seines Wirkens einen von der Natur stark begrenzten Willen spuert, wird Gott der vollkommen wirksame Wille zugeschrieben. Gott ist allmaechtig. Wo der Mensch in der Verfestigung seines Selbstbewusztseins die Notwendigkeit des Wertes in der Zeit, als Handlung, und im Raum als Gestalt, erfaehrt, wird dem Gott die vollkommene Tugend und die vollkommene Schoenheit zugeschrieben. Gott ist vollkommen gut; Gott ist vollkommen schoen. Und alles sonst was der Mensch fragmentarisch erlebt, das bekommt in dem Gotte seine allgemeine und quasi-oeffentliche Bestaetigung. Unter diesen Voraussetzungen sind die ethischen Forderungen um die Integritaet Gottes, Forderungen welche zugleich die geistig-seelsiche Existenz des Menschen gewaehrleisten. So verstanden dient der Suendenfall nur angeblich die Integritaet Gottes zu bewahren. Tatsaechlich dient der Suendenfall, indem er die Integritaet des Gottes bewahrt, zugleich der Begruendung und Bewahrung der Inmtegritaet des Menschen. Denn insofern die Vorstellung des Gottes ein notwendiger Entwurf (Projektion) der Subjektivitaet des Einzelnen ist, erstreckt sich diese Notwendigkeit auch an die Gruendung und Bestaetigung (Befestigung) menschlichen Bewusztseins. Damit soll nicht behauptet sein, dasz der sogenannte "Atheist" der unwillens oder unfaehig ist sein Gotteserlebnis in Begriffen zu erkennen oder zu bestaetigen weniger wirklich, weniger lebendig waere als der sogenannte Glaeubige von des Lippen der Gottesname unablaessig, wie Speichel, dribbelt. Denn das Gotteserlebnis und die Gottesexistenz die ich darzustellen versuche liegen tiefer, viel tiefer als dass sie von jedem Menschen begrifflich bestaetigt werden mueszten. Im Falle des "Atheisten" ist anzunehmen, es die Wucht seines Gotteserlebnisses ist, welche ihre Bestaetigung durch Begriffe oder Worte zugleich ueberfluessig und unmoeglich macht. Bedeutet nun die urspruengliche ethische Forderung, im paradiesischen Suendenfall anschaulich gemacht, die reziprokale Befestigung goettlichen und menschlichen Daseins, so wandelt die Bestimmung ethischer Notwendigkeit damit auf ur-protestantisches Gebiet, insofern als die reziprokale Befestigung goettlichen und menschlichen Daseins mittels der Einstellung (Haltung) des Menschen eben dasselbe ist, was man als den Glauben bezeichnet; und ich betrachte es als Bestaetigung der Gueltigkeit vorangehender Erwaegungen, so direkt, so unmittelbar zu einem so ueberzeugenden Beschluss durchgedrungen zu sein. * * * * *

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