20000523.02 Es ist mir nicht klar, ob es berechtigt ist, auf rein theologisch-literarischer Basis, ich meine, rein aus den Erklaerungen welche der Text selbst bietet, (from what is evident on the face of the text) die Autoritaet der Zehn Gebote unterscheiden darf, von der Autoritaet der vielen anderen Gebote in den fuenf Buechern Mose welche mit der Behauptung "Und Gott befahl ..." dem Volke Israel angewiesen wurden. Stellt man sich auf den Standpunkt des orthodoxen Juden, dass die Gebote der Heiligen Schrift ethisch zwingende (compelling) Anweisungen sind, dann darf man nicht grundlos und unueberlegt zwischen ihnen waehlen, die einen einhaltend als goettliche Gebote, die anderen aus Bequemlichkeitsgruenden einfach uebersehend. Zwecks dieser Untersuchung lasse ich die Frage der Herkunft und der Gueltigkeit dieser Gebotes in ihrer Gesamtheit auf sich ruhen, und um Aufschluss zu erlangen, was sie (mir) bedeuten und welchen Platz ihnen in einer moeglichen Ethik zugeschrieben werden sollte. wende ich mich lediglich an den Text. Ueber die ersten beiden der Zehn Gebote, welche die Existenz Gottes bestaetigen habe ich anderen Ortes geschrieben. Hier moechte ich nur erwaehnen, dass derjenige, dem die Gottheit lebendig gegenwaertig ist, diese Gebote von selbst, aus innerem Gefuehl und ohne Anleitung einhalten wird; jenem aber dem die Gegenwart der Gottheit gleichgueltig ist, dadurch dass er sie einhaelt der Gottheit nicht naeher rueckt. Ueber die Bedeutung des dritten Gebotes, jenes welches den siebten Tag heiligt, bin ich mir nicht im klaren. Es ist moeglich die dritte Gebot, gleich den ihm vorangehenden, als Bestaetigung der Gottheit zu deuten, obwohl nur im Zusammenhang mit der woertlichen Auslegung der Schoepfungsgeschichte. Andererseits, und ueberzeugender laesst es sich als eine lediglich praktische, die Konkurrenz und den uebermaeszigen Arbeitseifer einschraenkende und somit dem Volk Rast und Ruhe gewaehrende amtliche Anordnung deuten. Eine dritte Moeglichkeit ist dies dritte Gebot als wirkende Bestaetigung der Schoepfungsgeschichte zu deuten; indem Sinne, dass die erzwungene Symbolik des siebten Tages die Vorgeschichte der ersten sechs Tage zu bestaetigen scheinen moechte. Das vierte Gebot, welches die Ehre von Vater und Mutter befielt, liefert ein bemerkenswertes Beispiel der Problematik welche allen allgemeingehaltenen Vorschriften naemlich, dasz ihre Unbestimmtheit in den meisten konkreten Faellen spezifischer Erklaerung bedarf. Eine Schwellenfrage: sind Stiefeltern, sind Grosseltern mitgemeint? Und was heiszt "Ehre". Dass einer der seine Eltern umbringt gegen dies Gebot verstoest, ist selbstverstaendlich, so auch, dasz jemand der sein Leben fuer seine Eltern opfert, dem Gebot gehorsam zollt. Aber zwichen diesen beiden Extremen liegen viele Faelle, ganz sicherlich die meisten, wo es durchaus unbestimmt ist, was ein Mensch tun sollte, um seinen Eltern die ihnen gebuehrende Ehre zu erweisen, eine Unbestimmtheit welche sich, wenn ueberhaupt, nur durch das Hinzuziehen unvoraussagbarer Erwaegungen entschieden werden kann; so dass ich mich der Vermutung, dass es sehr viele begrifflich unentscheidbare Faelle gibt, nicht entwinden kann. Vergleichbare Unbestimmtheiten, wie sie dem Vierten Gebote anhaften verunsichern auch die anderen sechs Gebote. Im Falle des Gebotes welches das Toeten verbietet, gibt es viele Ausnahmen welche die Ueberzeugungskraft dieses Gebotes schwaechen. Denn den Feind zu toeten, betrachtet man als eine Heldentat, und es ist Buergerpflicht den vermeintlichen Verbrecher umzubringen. Auch sagen die Gebote nicht, genau welche Taten als Ehebruch, als Diebstahl, als falsches Zeugnis verboten sind; und noch unbestimmter ist die Feststellung der Grenzen der vom neunten und zehnten Gebote untersagten Begierden. Das Neue Testament, hingegen, will das unbestimmte, und vielleicht unbestimmbare Gesetz mit dem Einsatz einer gestig- seelischen Haltung ersetzen. Der junge Rechtsanwalt welche nach den Geboten der Ethik fragt, wird mit der Geschichte von guten Samariter belehrt. So ergreifend denn diese Geschichte auch sein mag, schreibt sie dennoch die gebotene Handlungsweise in nur einem Falle vor, und laeszt es unbestimmt, welches in unzaehligen anderen Faellen die gebotene Handlung waere. Es genuegt aber nicht, oder genuegt es vielleicht doch, die bestimmte Anweisung im konkreten Falle mit einer allgemeinen auf den Charakter des Handelnden zielenden Direktive zu ersetzen, nicht: tue dieses oder jenes, sondern: sei ein liebevoller, mitleidender, empfindsamer Mensch. Aber diese Anweisung ist wiederum nur schwerlich verstaendlich, und in vielen Faellen vielleicht ueberhaupt nicht, denn was es heiszt eine liebevoller, wahrhaftiger, verstaendnisvoller, u.s.w. Mensch zu sein ist festzustellen um manches schwieriger als die Anweisung dieses oder jenes zu tun zu verstehen. * * * * *

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