20000629.01
Empfindung, Anschauung, Sinnlichkeit, Verstand, Vernunft,
Kategorieen, Amphibolieen, - reine Vernunft - gibt es so etwas
wie unreine Vernunft? was soll ich mir unter diesen Begriffen
deren Selbstverstaendlichkeit die kantsche Philosophie
vorauszusetzen scheint vorstellen, Sind doch alle diese Worte
gelaeufige Ausdruecke denen Kant eine besondere geheimnisvolle
Bedeutung, nur von ihm recht verstanden, zugefuegt hat. Wie in
einem Kinderspiel ruft er uns zu: Rate was ich meine! Ist es ein
Zeichen der Klugkeit oder der Dummheit darauf einzugehen? Wir
sind ja alle stolz auf unsere Klugkeit, und keiner will zugeben,
dass etwas gesagt oder geschrieben steht, das er nicht versteht.
Manchmal scheint mirs, dass Hans Christian Andersens Fabel von
des Kaisers neuen Kleidern ausgerechnet auf Kant und seine
Anhaenger gemuenzt ist.
Mein erkenntnistheoretisches Bestreben, hingegen, ist mich
in den Erkenntnisvorgang einzuueben, mein Wissen und mein
Unwissen in so vielfaeltiger Weise wie moeglich nachzuempfinden,
nachzuerleben, nachzudenken, um bei jeder solchen Uebung ein
neues Masz Aufklaerung ueber diesen Vorgang zu gewinnen, so wie
ich auf unbekanntem Wege eine Wanderung anstelle, um sie hernach,
so oft ich es vermag, auf mehr und mehr bekanntem Wege zu
wiederholen, um bei jeder Wiederholung etwas mehr ueber den Weg
in Erfahrung zu bringen. Auf spezifisch technische Audruecke
moechte ich mich so wenig wie moeglich verlassen, denn sie sind
nur Hilfmittel des Denkens, welche lediglich funktionelle
(heuristische) Bedeutung besitzen. Es besteht die Gefahr, dasz
sie das was verstanden und erklaert werden muss verschleiern, und
von ihm ablenken, indem sie sich selbst als schwerverstaendliche
Pseudowirklichkeiten der Aussicht in den Weg schieben, und das
was erkannt werden musz, verdecken.
Das Wort Wahrnehmung benutze ich um die Aufmerksamkeit immer
wieder auf die Vorgaenge des Denkens hinzuweisen, mit der
besonderen Betonung, dasz zwischen dem Wahrnehmen von inneren und
aeuszeren Erscheinungen ein nur geringer Unterschied besteht; und
dass wir unser Erkenntnisvermoegen weit besser dadurch begreifen,
dasz wir die Geringheit des Unterschiedes zwischen Wahrnehmung
des Inneren und Wahrnehmung des Aeuszeren bestaendig im Auge
behalten.
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Index 2000
Website Index
Copyright 2005, Ernst Jochen Meyer