20000708.00
Entidealisierung und Sterben.
Die Entidealisierung ist einem Sterben aehnlich: denn das
Leben ist die fortwaehrende Erfindung und Entwicklung von
Vorstellungen welche sich in minderem oder mehrerem Masze als
Miszverstaendnisse entpuppen; und das klare und konsequente
Erkennen dieser Irrtuemer, dies Erkennen der Wahrheit, ist im
geistigen Sinne eine Zuruecknahme, oder eine Zurueckgabe des
Lebens.
Man besinne sich auf Entidealisierung in der Ethik,
Entidealisierung in der Erkenntnistheorie: Wie aber steht es dann
mit der Entidealisierung der eigenen Lebensfuehrung, mit der
Entidealisierung, wenn man so sagen darf, der Lebenskunst? Ach,
mit dieser Frage wird offenbar, wie kuenstlich, wie willkuerlich
die Organisation des Denkens welche in den Kategorien Ethik und
Erkentnistheorie zum Ausdruck kommt. Aber die Entidealisierung
dess taeglichen, einfachen Lebens hat seine eigene zwingende
Notwendigkeit, welche jeglicher Einkapselung, jeglicher
Kategorisierung spottet, weil die Aufgaben welche sie zu
bewaeltigen hat immer aufs neue und immer wiederkehrend, spontan,
dem Leben entspringen.
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Mir faellt die Logik ein, jener heute fast vergessene
Schluessel zu der Entsprechung (correspondence) des
Menschengeistes mit den Notwendigkeiten der Natur? Ist die Logik
ein Destillat der Sprache, dann, insofern Sprache ein Ausdruck
menschlicher Beziehungen waere, sollte die Logik auch als Abzug
menschlicher Beziehungen verstanden sein. Das scheint weit
hergeholt (far-fetched) und doch des Ueberlegens wert. Und wenn
man sich ueberzeugen laeszt, dasz die Mathematik ein tief in ihr
wurzelnder Zweig der Logik sein sollte, haette dann auch die
Mathematik Anspruch darauf als gesellschaftliche anstatt als
individuelle Erscheinung zu gelten? Das ist noch weiter
hergeholt, und vielleicht nicht mehr der Erwaegung wert,
jedenfalls jetzt noch nicht.
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