20000711.00
Begriffe sind an Worte (oder an andere Symbole) geknuepfte
Vorstellungen. Eine Vorstellung welche nicht begrifflich
verankert ist, bleibt unbegrenzt, ungestaltet, (inchoate),
ungreifbar. Zwar sind Vorstellungen als solche nicht mitteilbar,
aber die Begriffe , bezw. Worte mit welchen die Vorstellungen
bezeichnet werden sind von unvergleichbarer Mitteilbarkeit.
Wahrnehmung und Vorstellung bezeichnen ein und denselben
geistigen Vorgang (mental process). Bediene ich mich des
Ausdrucks Wahrnehmung so weise ich auf die Passivitaet welche in
dem Vorgang zum Audruck kommt. Bediene ich mich des Ausdrucks
Vorstellung so weise ich auf die Aktivitaet welche in dem Vorgang
zum Ausdruck kommt.
Worte, bezw. sprachlich Ausdruck und Begriff bezeichnen ein
und das selbe geistige Instrument. Erwaehne ich ein Wort oder
sonst einen sprachlichen Ausdruck, so deute ich damit darauf hin,
dass das sprachliche Gefuege gesprochen, gehoert, geschrieben
oder gelesen werden kann. Bezeichne ich eine Vorstellung als
Begriff, so deute ich damit auf ds Denken und Empfinden welches
mit dem sprachlichen Gefuege verknuepft ist.
Das Philosophieren, oder schlichter ausgedrueckt, das
Denken, ist die fortwaehrende Kritik und Korrektur, die Bildung
und Umbildung der begrifflichen Bedeutungen welche dem
sprachlichen Ausdruck, dem Wort, dem Satz, dem Paragraphen
zugefuegt werden. Und weil das geistige Leben aus einer
unabsehbaren Abfolge von von Wahrnehmungen besteht, so besteht
das Denken auf einer gleichfalls unabsehbaren Abfolge von
kritischen Berichtigungen unserer Begriffe.
Die Erfindung des Ausdrucks Wahrnehmung ist ein Versuch das
geistige Leben (mental existence) zu rationalisieren,
verstaendlich zu machen. Ich meine zu beobachten, dass meine
geistige Taetigkeit aus einer Reihe von Eindruecken oder
Wahrnehmungen besteht; wobei ich sofort zugeben muss, dass diese
Wahrnehmungen mir nur vereinzelt zugaenglich sind, und dass die
Kette der Wahrnehmungen aus welchen mein geistiges Leben bestehen
soll eben nichts mehr ist als ein Postulat, auf welches ich aus
der geringen Zahl der mir zugaenglichen Wahrnehmungen schliesse.
Ueber dieses Postulat, ueber diese Annahme komme ich nicht
hinaus. Sie zu bestaetigen ist mir unmoeglich: ich sehe ein, dass
ich nicht nur von der Wirklichkeit der Aussenwelt, sondern dass
ich auch in grossem Masse von der Wirklichkeit meiner Innenwelt
abgetrennt bin: dass ich ratlos und schluessellos vor den
verschlossenen Toren der Wirklichkeit stehe.
Es ist zweifellos, dass in den ausgedehnten nebligen
Episoden, da ich mir meiner selbst und meines Wirkens unbewusst
bin der Geist, das Gemuet, das Gehirn auch taetig sind, dass sie
von Eindruecken bewegt, oder vielleicht auch spontan sich wandeln
und dass ich hernach die Art und das Ausmass solcher Wandlungen
zu ahnen Gelegenheit habe. Ich bin jedoch zu ungeduldig, zu
voreilig, zu sehr auf Bestimmtheit besessen, als dass ich mich
derartiger Ungewissheit zufrieden geben koennte: daher das
Postulat von einer Reihe der Wahrnehmungen.
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