20000731.01 Die symbolischen Formen ueber welche Cassierer schreibt, sind unabsichtliche, ungeplante, unbewuszte Erzeugnisse des Gemuets (mind, Verstandes, Geistes). Man musz annehmen, dasz sie in einer Korrespondenz zur Wirklichkeit (der natur) geschaffen werden, eine Korrespondenz welche der Leibnizschen paeestablierten Harmonie entspricht, mit dem Vorbehalt, dasz diese Harmonie, wenn ueberhaupt, nur aus der Wirksamkeit dieser Symbolik zu schlieszen ist. Diese Wirksamkeit ist unverkennbar in ihrem (overall) Erfolg, doch ist sie in Einzelheiten nur selten erkenntlich, und oft ist sie garnicht (ueberhaupt nicht) beweisbar. Als Symbol bezeichne ich jene vom Gemut geschaffenene (produzierte) Begriffe oder Vorstellungen welche dann ihren eigenen Sinn, ihre eigene Bedeutung behaupten, welche im Verfolg der Wahrnehmungen geschaffen werden, und welche hernach mit ihrem Sinn die Wahrnehmung beherrschen. Es scheint mir wahrscheinlich, dasz Symbole auf den verschiedensten Stufen geistiger Taetigkeit geschaffen werden, spontan entstehen. Seit Jahren schon, hat es mich beeindruck wie der Punkt, die Linie, die Flaeche, der Kreis, weit entfernt, dasz sie begriffliche Schluszfolgerungen waeren, spontane Schoepfungen unserer Gesichtsfaehigkeit sind, insofern als ein Gegenstand der dem Auge entflieht, sagen wir, z.B., ein Vogel, ganz zuletzt, vor dem voelligen Verschwinden, sich dem Auge als ein Punkt noch zeigt. Aehnlich die Linie: Vor meinem Fenster steht ein Wald von Bauemen, deren jeder einen Stamm aus zwei scheinbar geraden, scheinbar parallelen Linien aufweist. Trete ich naeher, so sehe ich leicht, dasz diese Linien aus Zahlreichen Unregelmaessigkeiten zusammengesetzt sind, deren jede einzelne bei fortschreitender Entfernung zu einem Punkt schwindet, woraufhin die Reihe der punkte in eine gerade Linie zusammenschmelzen. Die Geradheit (straightness) dieser Linie ist ein rudimentaeres Beispiel der Idealisierung. Es ist ja leicht zu beweisen, dasz die Borkenschicht welche als diese gerade Linie geschaut wird, selbst alles andere als gerade ist; dasz demgemaesz die Geradheit eine Qualitaet ist welche vom Gemuet, oder wenn man will, vom Auge des Beobachters auf die vielfaeltige Unregelmaeszigkeit der vielen Borkenplaquen projiziert wird. Und so mit vielen anderen, ich vermute, mit _allen_ sichtlich wahrgenommenen Gestalten. Dergleichen Idealisierung welche im Bereiche des Sichtbaren so auffaellig und so leicht demonstrierbar ist, laeszt sich vergleichbar im Bereich der Laute, im Gehoer, feststellen. Das Vernehmen eines gesprochenen Wortes ist eine aehnliche Idealisierung. Die Ueberwiegende Bedeutung der Symbole in der Mathematik und in den Naturwissenschaften war vermutlich der Anlasz fuer die cassirersche Untersuchung der symbolischen Formen. Von vergleichbarer Wichtigkeit aber, wie Cassirer erkannte, ist die Bedeutung ser Symbolik in der Sprache. Nicht nur Worte und Saetze haben symbolischen Sinn, sondern das ganze ausgesprochene und unausgesprochene Denken schaltet und waltet mit Symbolen, mit Symbolik, und laeuft auf Symbolik hinaus. Symbole sind das bezeichnendes und unentbehrliche Ausdrucksmittel der Mitteilung, Kommunikation, der Verstaendigung, Das Verstaendnis der Symbole ist der Inbegriff der geistigen Bildung. Die Mitteilung der Symbole ist der Inbegriff der geistigen Ausbildung. Die Fortentwicklung der Symbolik auf Grund des aktuell oder poteniell gemeinschaftlichen Erfahrens ist die Aufgabe der Wissenschaft; und die Zergliederung, die Analyse, die Aufloesung der Symbolik zu gunsten der Wahrnehmung und des einfachen Erlebens ist die eigentliche Aufgabe der Philosophie. * * * * *

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