20001231.00
Es ist bemerkenswert, dasz den Zahlen der modernen
Mathematik an jeglichem qualitativen Wert ermangelt. (that they
lack all quantitative value.) So schoepfen, zum Beispiel, die
zehn Zahlen von 1000001 bis 1000010 Sinn, Wert, Inhalt lediglich
durch ihre Stellung (position), zieht man 1000000 von ihnen ab,
so bleiben 1 bis 10, und diese bleiben ununterschieden nicht nur
von anderen Zahlen 1 bis 10, sondern ununterschiedn auch von
allen anderen zehn Zahlen.
Diese Neutralitaet der Zahl gegen qualitativen Wert
widerspricht der nicht ungewoehnlichen Neigung den Zahlen, der
Drei, der Fuenf, der Sieben, der Zwoelf und der Dreizehn, zum
Beispiel, magische Bedeutung beizumessen; Vorgehen
(Voreingenommenheiten) welche der vernunftgemaessen Behandlung
der Zahlen in der Mathematik behinderlich sind; obwohl die
Konstruktionen der Mathematik, wie etwa die Quadratwurzel der
Zwei, oder die Zahl 'e' als Basis natuerlicher Logarithmen,
fortfahren sich als Quellen magisch gefaerbter Empfindungen zu
erweisen.
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Es ist eine Staerke von Richard Courants "What is
Mathematics" dasz es diese Frage zwar aufwirft, aber davon
absieht sie zu beantworten; oder sie nie ausdruecklich, sondern
nur in der Darstellung und Ausfuehrung mathematischen Denkens
beantwortet. Es ist ja bekanntlich die Eigenart des
Theoretisierens, dasz es strebt mittels der Gedanken, mittels der
Erklaerung, mittels der Begruendung, anderweitig unbegriffenen,
unbegreifbaren Stoff in den Griff zu bekommen, (sich anderweitig
unbegriffenen, unbegreifbaren Stoffes zu bemaechtigen.) Und doch
halten ausgerechnet die Mathematiker die Zahlenlehre (number
theory) in hohen Ehren.
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Mir faellt auf: der qualitative Unterschied zwischen dem
unendlich Groszen und dem unendlich Kleinen. Das unendlich
Grosze duenkt uns zahlenhaft (numerical), eine Unmenge an Zahl,
indes wir uns das unendlich Geringe nur als einen Strich von
verschwindendem Ausmasz, als Punkt, vorstellen. Die unendliche
Laenge ueberanstrengt (strains) unser Vorstellungsvermoegen,
waehrend die Multiplikation, besonders die exponentielle, unsere
Einbildungskraft mit Milliardenmeilenstiefeln versieht, welche
auch die ueberschwenglichsten Masze zu nichte machen, oder
vielmehr, zu bloszen Zahlen reduzieren.
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Mich duenken Differential und Integralrechnung als
Rationalisierungen unserer Anschauung, unseres
Anschauungsvermoegen. Daher kommt ihre Staerke, Wirksamkeit.
Die Differentialrechnung verwandelt das Kontinuum der Anschauung
in integrale qualitaetsfreie, (qualitaetslose) Menge. Die
Integralrechnung verwandelt qualitaetsfreie, qualitaetslose
Mengen in ein anschauliches Kontinuum; ueberbrueckend die von der
analytischen Geometrie aufgerissene Kluft zwischen Bild und Zahl,
zwischen Anschauung und Handlung.
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Zur Psychologie der Mathematik: Zaehlen ist Handeln.
Zaehlen ist Wille. Zaehlen ist willentliche Handlung. Wissen
ist Vorstellung. Wissen ist Betrachtung, ist Sehen, ist
Erkennen; und somit vom Koennen, von der Faehigkeit zu Handeln
unterschieden. Die Mathematik ist Aussoehnung (reconciliation)
des Handelns mit dem Betrachten (Sehen), des Koennens mit der
Vorstellung. Die Mathematik macht das Zaehlen (den Weg) zur
Vorstellung, und macht die Vorstellung dem Zaehlen zugaenglich.
Die Mathematik (er)zaehlt das Vorgestellte, und stellt das
Ergebnis des Zaehlens vor. Die Mathematik eroeffnet die
Vorstellung der Handlung (dem Willen); Die Mathematik fuehrt die
Handlung zur Vorstellung.
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Bezeichnen diese Betrachtungen die Grenze der Mystik, wo die
logische Beschreibung in Anschauung uebergeht?
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