20010113.01 Die Mathematik als "die Koenigin" der Wissenschaften zu bezeichnen deutet auf ein tiefes Miszverstaendnis oder Unverstaendnis ihres Wesens, und des Wesens der Wissenschaft ueberhaupt. Als junger Mensch war ich von den Errungenschaften der Wissenschaft beeindruckt und eingeschuechtert; und empfand mich als nichtswuerdig, wenn ich sie nicht saemtlich verstehen, nicht (erschoepfend) begreifen koennte. Und dieses Ziel leuchtete mir wie ein Leitstern lebenslang vor; wenngleich ich es nur auf vielen Umwegen, vielleicht auf uebermaeszig vielen und langen Umwegen verfolgte. Heute, in meinem siebzigsten Jahr kann ich es mir nicht vorstellen, mein Ziel tatsaechlich erreicht zu haben; und wenn es mir jetzt dennoch erscheint als haette ich es geschafft, so musz ich meine Zufriedenheit mit meinem Wissen, mit meinem Denken, mit mir selbst, als eine Art geistig-seelischen Kurzschlusz (short circuit) deuten, indem ich mich ueber Ausmasz und Art (Quantitaet und Qualitaet) meines Wissens taeusche, weil mir Empfindlichkeit und Verstaendnis fuer die Schwierigkeit der Aufgabe abgestumpft sind. Von den drei Maszstaeben des Denkens, welche ich in d010113.00 andeutete, scheint es mir, dasz auch der Glaubensmaszstab und auch der Geschichtsmaszstab auf die Erfahrung, auf das Erleben, zurueckgefuehrt werden koennen, insofern als der Glaube eine Art inneren, subjektiven Erlebens ist; und gleichfalls die Geschichte als ein besonderer Teil des Erlebens gedeutet werden musz. Tatsaechlich ist diese Einsicht mir nicht unwillkommen, denn sie bestaetigt meine Annahme dasz das Erleben die Richtschnur ist, und die einzige, welche das Denken leitet und berichtigt. * * * * *

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