20010729.00
Wenn Benedetto Croce Aesthetik als die Wissenschaft vom
Ausdruck bezeichnet, so demonstriert er (zeigt er, beweist
er) damit in erster Linie nicht das Wesen der Aesthetik,
sondern das Wesen des vermeintlich systematischen Denkens
ueberhaupt. Denn Aesthetik kommt von aesthesis, d.h. von
Wahrnehmung, Empfindung, und wenn nun ploetzlich die
Wahrnehmung dem Ausruck gleichgesetzt werden soll, so bedarf
es einer Erklaerung, einer dialektischen Rechtfertigung
dieser Vereinigung des Gegenseitigen.
Eine Grundlage einer solchen Rechtfertigung liegt wohl
schon in Cassierers Entdeckung, oder Behauptung, dass
Wahrnehmung jeweils immer von der Satzung von Symbolen, von
Sinnbildern begleitet ist; dass Wahrnehmung sozusagen ein
inwendiges Ausdruecken, ein Vorgang inwendiger
Symbolsynthesis ist, weil wir auch das Wahrnehmen erst
lernen muessen, und weil das Erlernen des
Wahrnehmungsprozesses durch die Erfindung, Elaboration,
Entwicklung eines symbolhaften Rahmens vor sich geht.
Ist das Wahrnehmen als ein Vorgang inwendiger
Symbolsetzung konstatiert, so laesst sich hiervon eine
Bruecke zum Bereich des Ausdrucks schlagen, von welchem man
sagen kann, dass er (nur) eine schlichte Umorientierung des
Wahrnehmens bedeutet. Und tatsaechlich stimmt es ja auch,
dass das Gemaelde als Ausdruck offenbart das was der Maler
wahrnimmt, und dass dieser Ausdruck das einzige Mittel fuer
den Beschauer des Gemaeldes ist, die Wahrnehmung des Malers
wahrzunehmen. Mit anderen Worten: der Ausdruck ist
unerlaesslich fuer die Erkenntnis der Wahrnehmung.
Der Eindruck hinterlaesst nur innere, subjektive
Wirkungen. Der Ausdruck hinterlaesst nur aeussere,
objektive Wirkungen. Wenn die Aesthetik die inneren,
subjectiven Wirkungen welche die Aussenwelt auf den
Einzelnen ausuebt sein will, dann denuegt es nicht,
Wissenschaft vom Ausdruck zu sein; dann muss sie
Wissenschaft des Eindrucks werden.
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