20010822.00
Es gilt zu begreifen in welchem Masse, wie ueberwiegend
wenn nicht gar ausschliesslich, die Bedeutung der
Philosophie nicht in ihrem Inhalt, nicht indem was sie
tatsaechlich besagt, sondern in ihrer Mitteilung, in ihrer
Verbreitung besteht. Denn was sie wortlich, ausdruecklich
darlegt, ist dunkel und widerspruechlich, von kaum einem
einzigen, vielleicht von gar keinem Menschen verstanden,
nicht einmal von ihrem Verfasser selbst. Was aber die
Philosophie belebt ist die Mitteilung, die Mitteilung des
Unverstandenen und des Unverstaendlichen, die Mitteilung des
subjektiv Erlebten, und die Begeisterung welche diese
Mitteilung ausloest.
Was nun die Mitteilung des subjektiv Erlebten anlangt,
so aehnelt die Philosophie der Kunst, der Musik, der
Dichtung, der Malerei. Insofern aber als Dichtung, Malerei
und Musik zugaenglicher sind, befuerworten sie sich selbst,
und finden in den Begrenzungen, within the limitations,
ihrer gesellschaftlichen Umwelt ihre besonderen Anhaenger.
Im Falle des philosophischen Schrifttums aber, welches
seinen hohen Anspruechen gemaess weit weniger zugaenglich
ist, bedarf die Verbreitung, bedarf die Mitteilung um
wirksam zu werden der oeffentlichen Reklame, bedarf der
Sichtbarkeit (visibility) bedarf vielleicht auch einer
Professur, und bedarf auch eines empfaenglichen Publikums.
Die beruehmtesten und deshalb die groessten der
Philosophen, Sokrates und Jesus, verdanken ihre Stellung in
der Geschichte der Menschheit zum Teil, zum grossen Teil,
der Tatsache, dass ihre Mitbuerger sie umbrachten. Da
besteht ja eine so offenkundige Konkurrenz zwischen dem
gluecklichen heilen Erdenleben, und dem Schicksal des
Helden, der um sein Ziel zu erreichen, seine
Glueckseligkeit, sein Leben einsetzt. So ist es nicht
uebermaessig extravagant darauf hinzuweisen, dass die
Mitbuerger der beiden, Jesus und Sokrates, ihnen zu ihrem
Ruhm, zu ihrer geschichtlichen Unsterblichkeit unentbehrlich
waren. Die beiden Beispiele bestaetigen auch die Regel,
dass es auf den Umfang der Lehre gar nicht ankommt; dass die
Wirksamkeit der Lehre kaum von ihrem Umfang oder von ihrer
Komplexitaet, oder von ihrer Unergruendlichkeit abhaengt,
sondern lediglich von ihrer Mitteilbarkeit und von ihrer
tatsaechlichen Mitteilung.
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