20010905.01 Man schreibt als reifer Mensch in erster Linie, oder ausschliesslich fuer sich selbst. Der junge Mensch erlebt das Schrifttum als ein oeffentliches, und ihm duenkt ein wirklicher Mensch dasselbe wie ein wirklicher Schriftsteller zu sein. Es ist verstaendlich, denn anfangs dringt die Welt auf ihn ein, und es dauert Jahre, tatsaechlich dauert es ein ganzes Leben lang, bis er sich selbst entdeckt, und die Grenzen, oder die Grenzenlosigkeit seines Erlebens. Mit den Jahren schwindet die Aussicht (Erwartung, expectation) auf Mitteilung, auf Verstaendnis, auf geistige Gemeinsamkeit. Dennoch aber fahre ich fort zu schreiben; und das Schreiben wird zur wahren Kunst, in dem Sinne, dass Kunst wenn nicht die Verewigung so doch die Erhaltung des gegenwaertigen Erlebens ist, des einzigen Erlebens das uns beschert ist. Es ist dieses Beduerfnis, dieser Drang den Inhalt des gegenwaertigen Bewusstseins festzuhalten, welche mich immer wieder, all taeglich aufs Neue, nicht eigentlich zur schriftlichen Niederlegung der Gedanken, sondern genauer gefasst: zur schriftlichen Entwicklung und Darstellung, d.h. zur kuenstlerischen Existenz, zur Existenz als Kuenstler treibt. Denn Kunst ist das Festmachen, das Festhalten des Erlebens: "Schoepft des Dichters reine Hand, Wasser wird sich ballen," so Goethe im Westoestlichen Divan. * * * * *

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