20011126.00
Schon aus theoretischer Sicht mag man die
gesellschaftlichen Beziehungen, das geistige Netz, welches
die einzelnen Menschen verbindet, und in dieser Verbindung
erst lebensfaehig macht, als Bedingung, als Grundlage, als
Ursache des Wissens darauf der Einzelne sich besinnt,
betrachten. Es ist wohl dieses geistige Netz, diese
schwankende aber lebendige Verbindung unter den Menschen
welches die deutschen idealistischen Philosophen als den
Geist, oder als "Weltgeist" bezeichnet haben. Und wir
Modernen verstehen sie nicht, weil unser Denken und Spueren
so ausgepraegt atomistisch ist. Weil wir es so eindringlich
auf das einzelne Ding, auf die einzelne Sache, abgesehen
haben. Die Betonung wiederum, diese Ueberbetonung, dies
Verbissensein auf das einzelne Ding, (vgl. Rilke) auf die
einzelne Sache, auf das einzelne Erlebnis, auf das Hier und
Jetzt, auf die Gegenwart, auf die Person, auf den Einzelnen,
auf die Seele, diese augustinisch-lutherische Kampf um die
Beziehung des Einzelnen zu einem einzelnen Gott: das alles,
so will mir scheinen ist auch menschlich, ist auch Ausdruck
der menschlichen Natur, ist eine Erscheinung des Idealismus,
der Neigung, des Hanges, der Propensio, der Notwendigkeit zu
Idealisieren. Denn es ist die Eigenart des Idealismus
abzutrennen, zu begrenzen, das Erleben an Begriffe, an Worte
zu binden; wir tun dies in einem solchen Masse, dass uns das
Erleben, das Dahinleben, der Zusammenhang unserer Gefuehle,
das chaotisch Ungestaltete aus welchem die Gedankenbilder
aufsteigen und in welches sie am Ende verschmelzen,
vergehen, sich aufloesen, - unerreichbar wird.
In der Betrachtung dieses Zusammenhanges, machen wir
freilich den Fehler, das Idealisieren und den Idealismus auf
das Gebiet der Handlung, auf die Ethik zu beschraenken. Als
Idealisten bezeichen wir den der unbedingt und schonungslos
seinen Vorstellungen, seinen Begriffen entsprechend handelt;
der seine Vorstellungen mittels seiner Handlungen zu
verwirklichen sucht.
Ebenso bedeutend aber, wenn nicht noch folgenreicher,
ist die Bewaehrung des Idealismus auf den Gebieten der
Erkenntnis und des Wissens. Denn hier konstruiert
(errichtet) der Geist des Menschen eine kuenstliche Welt,
welche der wirklichen aber dem Geist unerreichbaren Welt,
der Welt an sich, eben dadurch entspricht, dass die
idealisch erdichtete Welt den Menschen wirksam macht, dass
sie ihn befaehigt auf die unerkannte Welt zu wirken, ohne
jedoch ihn zu befaehigen sie zu erkennen.
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