20011209.00
Der Grund weshalb ich seit einigen Wochen keine neuen
Eintragungen gemacht habe, ist dass ich mich in recht
intensiver Weise mit der Zusammenstellung der Aufzeichnungen
vergangener Jahre, genau gesagt, der Jahre 1999 bis 2001
befasst habe. Ich bin noch weitere Jahre zurueckgegangen,
habe meinen e-mail Austausch mit den Health Care
Reformatoren und den Kierkegaard Liebhabern wieder einmal
ueberlesen, wobei mir klar wurde, wie wie alle
Gedankenpraxis einerseits durch fremdes Interesse, durch
fremden Anteil, angeregt und angetrieben wird, zugleich aber
auch durch Mitteilungsbeschraenkungen, durch die
Notwendigkeit sich auszudruecken verstanden zu werden,
verflacht, vereinfacht, banalisiert wird.
Mir wird klar, dass es zur Entwicklung und Ausarbeitung
eines wesentlichen Gedankeninhalts dringend der
gesellschaftlichen Beschraenkung bedarf. Man kann nicht
zugleich Journalist und Denkender sein. Denn als Journalist
will man verstanden werden; als Denkender will man verstehen
Es ist unmoeglich aller Welt in allen Sptrachen zu predigen.
Man beschraenkt sich vorerst auf sein Volk, auf seine
Mitglaeubigen, auf immer kleinerere und beschraenktere
Kreise der Zuhoedrer, bis man zuletzt das tieftse und
wuerdigste nur einer sehr kleinen Gruppe, einem kleinen
Kreis aehnlich Gesinnter oder Verstehender gelten kann, und
vielleicht nur eiinen paar Fruenden, vielleicht nur einem
Einzigen, vioelleicht nur sich selbst! Ad se ipsum also, in
der eigenen Sprache, idiotisch: die dialektische Aufloesung
des Geistes ihn Wahnsinn, wortlich, literally, "Wahn".
Ich denke dass es moeglich ist dass auch hier ein Gott
zu helfen vermag. Indem er sich als Gespraechs,- als
Gefuehlspartner zur Verfuegung stellt. Das ist nicht so
weit hergeholt (farfetched) wie man annehmen moechte.
Jakobs Traum in dem er mit dem Engel (verstehe: mit Gott) um
dessen Segen rang, laesst sich unschwierig ins Geistige als
Auseinandersetzung, als Dialog erklaeren. Die Psalmen sind
die erste grosse dichterische Schoepfung an Gott als an des
Menschen Gespraechspartner gerichtet. Des heiligen
Augustinus Confessiones sind ein langes ausfuehrliches
tiefgreifendes Zwiegespraech mit seinem Gott. Man bedenke
die Beziehung Christi zu seinem Gottesvater und ganz im
allgemeinen, die Beziehung der unzaehligen Christen zu ihrem
Herrn. Wenn in deren Gebete, seien es nun Monologe oder
Zwiegespraeche das plastisch Gegenwaertige zu ueberwiegen
scheint: man betet um Hilfe, um Rettung, um Frieden, so
eroeffnet sich doch die Moeglichkeit eines
Gedankenaustausches oder allenfalls eines Gedankenopfers an
Gott. Man bedenke das Phaenomen der goettlichen (musischen)
Inspiration, das literarische Potential des Gebetes. Dass
die Musik "nur zu Gottes Ehre" geschehen soll, soli Deo
gloria, ist ein musikhistorischer Gemeinplatz. Warum nicht
also auch das Gedicht? So steht zum Beispiel am Anfang von
Rilkes kuenstlerischem Schaffen sein Stundenbuch, welches
des Dichters Gefuehle, zugegeben mehr als seine Gedanken,
gebetartig darstellt. Seine spaeteren Gedichte an wen
anders sollten sie gerichtet sein als an des Dichters Gott,
an seine Muse die ihn bekraeftihgt und beschuetzt. Das ist
besonders ueberzeugend im Falle der Sonnette an Orpheus und
der Duineser Elegien. Auch bei Hoelderlin tritt ein
vergleichbares Phaenomen auf: Manchmal apostrophiert er
sogar sich selbst: die eigene Seele: groesseres wolltest
auch Du ... manchmal spricht er die Goetter ausdruecklich
an: Ihr wandelt droben im Licht ... Zwischen der Rede zu
sich selbst und zu seinem Gott ist, wie Rilke sagt, nur eine
duenne Wand. Die Deutunhg von Kunst als Hinwendung zu einem
Goettlichen, also als Gebet, ist ueberzeugend; und zu der
Mutmassung, dass Philosophie Literatur sei, und dass
Literatur Kunst sei, und dass demgemaess auch die
Philosophie, das abstrakte Denken, das Denken um des Denkens
willen, Kunst sei, und als wKunst auch eine Spezies des
"Gebets", wird dann zu selbstverstaendlich als dass es
weiteren Kommentars, weiterer Erklaerung beduerfte. Also:
Mein Gott, wer anders als Du wird mich anhoeren wollen. wer
anders als Du, wird denn dies alles lesen,
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Index 2001
Website Index