20020209.00
Der Unterschied zwischen Hegel und Kierkegaard in bezug auf
Dialektik, ist dass waehrend Kierkegaard die Dialektik in der
Spannung des Paradoxes, des Absurden bewahrt. Hegel die Spannung
der Dialektik mit der Synthese widerruft. Hegel begeht in diesem
Sinne Betrug an der Dialektik und ihrer Wahrheit.
Es ist dienlich, und vielleicht ist es sogar notwendig, um
Kierkegaards Denken zu begreifen, seine Ausfuehrungen von
jeglicher voreingenommenen Vorstellung von Christentum zu
trennen, was weit schwieriger getan als gesagt ist, etwa fuer
Christus ein X zu setzen und fuer Christ werden, X werden, fuer
Christentum Xtum, und so weiter; und sich in das geistige
Verhalten einzuueben, dass man nicht weiss, und keine
Vorstelliung haben kann, was mit X gemeint sein sollte, um es
hinterher entweder induktiv aus den Ausfuehrungen Kierkegaards zu
synthetisieren, oder eine Loesung der seelsichen Algebra aus
unserem eigenen innersten Erleben zu schoepfen. Vielleicht
beides. Moeglicherweise sollten praktische heuristische
Erwaegungen entscheidend sein: Naemlich dass tatsaechlich keiner
imstande ist zu sagen, wer oder was Christus den eigentlich ist
oder war oder bedeutet; und dass derjenige welcher behauptet es
genau zu wissen, gerade mit dieser Behauptung beweist, dass er
unfaehig ist, und unbefugt sein sollte, sich zu diesem
schwierigen Thema ueberhaupt nur zu aeussern.
Es ist in Amerika nicht ungewoehnlich das Wort Christ durch
ein X ersetzt zu schreiben, wie etwa Xmas fuer Christmas setzen.
Man bedeutet damit aber, dass man mit dem Ausdruck Christ so
selbstverstaendlich vertraut ist, dass ein Akronym genuegen
sollte um die Vorstellung anzudeuten, genauso wie wenn wir CUP
statt Concluding Unscientific Postscript schreiben, wir damit
unsere besondere Intimitaet mit dem Text andeuten, unsere
Ungeduld welche uns abhaelt den langen ungefuegen Namen
auszuschreiben, geschweige denn dass wir Geduld haetten den
langen ungefuegen Text zu bedenken, oder vielleicht auch nur ihn
zu lesen. In diesem Falle aber, wie ich ihn vorschlage, haette
das X fuer Christ eine algebraeische Bedeutung welche wir zwar
spekulativ als eine uns unbekannte und unerkennbare Konstante
betrachten moegen, existentiell aber das X als eine unbekannte,
und was unser Verstehen betrifft, eine veraenderliche Groesse,
veraenderlich nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ, zu
betrachten genoetigt sind.
Fragen wir nun ob es erlaubt sein moechte, das X in der
Kierkegaardschen Religionsphilosophie durch eine religioese
Tradition anders als die christliche zu ersetzen, so haette eine
solche Ersetzung Sinn nur insofern uns das Substitut ein
erlaeuternder Begriff ist, insofern wir mit dem Ersatz
voreingenommene Vorstellungen verbinden; in diesem Falle aber ist
die Ersetzung des X mit einem Ausdruck anders als "Christ"
widersinnig, da der Sinn der Unbestimmtheit des X's ja gerade der
ist, uns von voreingenommenen Vorstellungen zu befreien.
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