20020211.00

Kierkegaard an den Grenzen des Ausdrucks.

     Ich habe gestern abend weiter im zweiten Teil der
Abschliessenden unwissenschaftlichen Nachschrift gelsen, ueber
die Religiositaet A und die Religiositaet B; und bin in voellige
Verwirrung geraten.  Stellenweise war es mir unmoeglich den
Gedanken zu folgen, und wo es mir gelang, oder wo ich meinte dass
es mir gelang, da wollte sich's nicht reimen. Heute abend werde
ich es ein weiteres mal versuchen.

     Woran liegt das Unverstaendnis? Ist es bei mir ein
mangelndes religoeses Erleben, oder bei ihm ein verschrobenes?
Ist es mangel der Uebersetzung, dass etwa der Uebersetzer den
schwierigen Text nicht begriff? Ich habe das daenische Original
noch nicht in Angriff genommen, will es aber sobald sich mir die
Zeit dazu eruebrigt? Ist es, dass ich Kierkegaard auf seinen
verschlungenen Gedanken- und Gefuehlspfaden nicht zu folgen
vermag? Oder ist es dass er sich in seinem Denken verlaufen hat,
dass er stecken geblieben ist, inventing and churning ever more
concepts in the effort to extricate himself from his confusion.

     Wie ist die Grenze zwischen meiner Unfaehigkeit ihn zu
verstehen und seiner Unfaehigkeit sich auszudruecken zu
bestimmen?  Manchmael scheint es mir, dass die Grenze nur
verhaeltnismaessig besteht, dass an einem Extrem ich nichts,
garnichts verstehe, wie klar es auch immer ausgedrueckt sein
moechte.  Am anderen Extrem, dass es mir moeglich ist alles zu
deuten, auch das unsinnlichste; denn Verstehen ist zwar ein an-
und aufnehmen, Deuten aber ist in nicht geringem Masse, Erfinden.
Die Anziehungskraft eines Schriftstellers, der Zauber den er
ueber den Leser ausuebt, liegt nicht nur in dem was er ihm zeigt,
nicht nur in den Offenbarungen welche er ihm bietet, sondern in
der Gelegenheit, in der Moeglichkeit, in dem Rahmen den er dem
Erfindungsvermoegen des Leser gibt.


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