20020310.00
The existential reduction or the existential expansion
Die existentielle Reduktion oder die existentielle Erweiterung.
In jeder Gegenwart, in jeder Reflexion des Bewusstseins ist
der Einzelne sich nicht nur seiner selbst bewusst, sondern ist
sich zugleich einer Welt der Sachen, der Dinge, der Gegenstaende
bewusst, einer objektiven Welt, einer Welt der Sprache, der
Mathematik, der Berechnung, der Beschreibung, eine Welt die er
tatsaechlich (actually) oder moeglicherweise (potentially) mit
seinen Mitmenschen teilt, eine Welt welche ausgerechnet durch das
geistige Zusammenwirken mit seinen Mitmenschen, mit der
Gesellschaft, geschaffen wird.
Zwischen dieser objektiven Welt der Sprache, der Begriffe
und der Bilder, und der anderen, der subjektiven Welt der
Gedanken, Empfindungen und Gefuehle, liegt eine Kluft (eine
Mauer, ein Zaun, eine Grenze) welche auf einer Ebene andauernd
von dem Menschen ueberquert wird, und mit solcher Haeufigkeit,
dass er diese Grenze ueberhaupt nicht gewahr wird. Andererseits,
ist sich der Mensch dieser Kluft erst bewusst geworden, und hat
das Ausmass dieser Kluft erkannt, so erscheint ihm die Kluft
nunmehr unueberbrueckbar und die Trennung welche sie bewirkt
unueberwindlich, und er bescheidet sich dann mit dogmatischen
Behauptungen, wie etwa, dass die Objektivitaet die Wahrheit sei,
oder umgekehrt, dass die Subjektivitaet die Wahrheit sei, wo doch
beide Saetze offenbar falsch sind. "Die Subjektivitaet ist die
Wahrheit", ist eine objektive Feststellung und waere selbst wenn
sie inhaltlich wahr waere, formell, wegen ihrer Objektivitaet,
unwahr. Der Satz: "Die Objektivitat ist die Wahrheit," ist aber
auch unwahr, denn die Ueberzeugungskraft der Wahrheit kann
niemals objektiv sein. Die Ueberzeugungskraft der Wahrheit ist
unabaenderlich subjektiv. Das die Subjektivitaet die Wahrheit
sei vermag man lediglich als einen Hinweis, a pointer, auf ein
von dem Satze nicht erreichbares, und in diesem Sinne
Transzendentales bezeichnen, so dass der Satz nur als eine
Andeutung, niemals aber als eine Aussage zu verstehen ist.
Die Versoehnung von Aussen und Innen ist ein fortwaehrender
Vorgang, eine Aufgabe welche den Menschen unablaessig
beschaeftigt, ob er sich nun dieser Beschaeftigung bewusst ist
oder nicht. Auf diese Beschaeftigung aber kommt es an. Sie ist
der wesentliche Inhalt seines Denkens. Es ergibt sich die Frage,
ob der Einbezug des Objektiven in das Subjektive und umgekehrt,
eine Reduktion oder eine Erweiterung des einen oder des anderen
bedeutete; eine Mischung nur, oder gar eine Metamorphose, eine
Synthesis in ein anderes.
Vielleicht sollte man sich eines neutralen Ausdrucks, wie
etwa die existentielle Wandlung, bedienen; oder sollte die
existentielle Beleuchtung, die existentielle Erklaerung sagen.
Es ist ganz sicherlich ein Mangel in Kierkegaards Denken,
dass er das Verhaeltnis des Objektiven zum Subjekt missachtet,
und dass er die gegenseitige Abhaengigkeit der beiden von
einander grundsaetzlich, systematisch, uebersieht.
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