20020412.00
Die Frage Kierkegaards, wie kann man eine ewige Seligkeit
auf eine historische Begebenheit gruenden, von ihm nicht
ausdruecklich beantwortet, birgt aber die Antwort in sich, oder
jedenfalls, die Keime zu einer Antwort. Meine Frage, welche eine
gewisse Parallele mit der kierkegaardschen aufweist, moechte
lauten: wie kann man ein individuelles, persoenliches
ueberzeugtes Wissen auf oeffentlich bekundete Tatsachen gruenden.
Wenn Goethe sagt, das Hoechste waere zu begreifen, dass alles
Fasktische schon Theorie ist, so bedeutet dies, dass Tatsachen,
Fakta, welche oeffentlich aeusserlich sind, zu Vorstellungen,
Gedanken, Einbildungen umgedeutet werden, welche privat, welche
innerlich sind.
Bei beiden Fragen also handelt es sich um einen Streit, um
einen Konflikt zwischen dem Persoenlichen, oder genauer gesagt,
zwischen dem was hinter, was jenseits der Maske ist, und dem
Oeffentlichen, dem Allgemeinen, dem was all die maskentragenden
Personen gemeinsam haben.
In meiner Frage spielt das inwendige ueberzeugte Wissen eine
Rolle vergleichbar mit mit der welche die Ewige Seligkeit in
Kierkegaards Frage hat. Ist es zu weit hergeholt (too far
fetched) zu ueberlegen, ob die Protases der beiden Fragen
einander aehneln? Inwiefern moechte das inwendige, das subjektive
Wissen den Wissenden selig machen? Inwiefern bedeutet selig sein
ein Wissen, ein Begreifen, ein Verstehen, ein geistiges Besitzen
der inneren, der Vorstellungswelt. Die Aequivalenz von Wissen
und Seligkeit, so scheint mir, ist echt griechisch gedacht, denn
dass Wissen Tugend sei, wurde von Sokrates behauptet, und dass
Tugend Seligkeit sei, behauptete er auch.
Augenscheinlich, fast selbstverstaendlich ist der Vergleich
der historischen Tatsachen welche fuer den Grund der ewigen
Seligkeit als genuegend oder ungenuegend erwogen wurden, mit dem
objektiven Fakten um deren Verinnerlichung der Einzelne,
faustaehnlich, in seinem Wissensdrang ringt. Denn die
historischen Fakten sind als solche jenseits des Bereiches der
Gegenwart, in welche sie eingelassen zu werden dringen. Und
eingelassen, wenn dies moeglich waere, wuerden sie durch eine
Vergegenwaertgung, durch ein gleichzeitig Werden mit dem
Vorbeigegangenen. Die objektiven Fakten der Wissenschaft, mit
deren Verinnerlichung, mit deren Aneignung der Einzelne ringt,
existieren gleichfalls ausserhalb des Gegenwartsbereiches, sind
als ausserhalb des Gegenwartsbereiches liegend, historisch in
jenem eigentlichen Sinne, dass sie um vergegenwaertigt zu werden,
erzaehlt werden muessen.
Und nun noch die Loesung, vielleicht die gemeinsame Loesung
der Fragen, von welcher Loesung man vermuten mag, dass sie keine
Loesung, sondern nur eine Antwort ist, welche neue Fragen
aufwirft. Und diese Loesung ist die Homoiosis, die Aneignung,
die Tatsache, dass ein Mensch zu dem wird, was er tut, und weil
das Denken ein Tun ist, dass er zu dem wird was er denkt, was er
sieht, was er hoert. Die Sprache! die Sprache bezeugt, die
Sprache verraet es. Die Sprache welche so unleugbar erworben,
erlernt ist, darin das Wesen des Menschen mehr also irgend sonst
seinen Ausdruck findet.
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