20020318.00

     Es ist in gewissem Sinne demuetigend, daran erinnert zu
werden, mit welcher Geschwindigkeit und scheinbaren Leichtigkeit
Kierkegaard seine Buecher geschrieben, und mit welcher anderen
Geschwindigkeit Mozart seine Symphonien, Quartette, Sonaten und
Opern verfasst hat; dass unsereiner Monate daran setzen muss um
zu begreifen was Kierkegaard in ein paar Tagen niederschrieb;
dass ich Jahre, vielleicht ein ganzes Leben damit verbraechte
mich in Mozarts Musik einzuueben, in Musikstuecke welche Mozart
sozusagen nebenbei komponiert hat und in sehr kurzer Zeit, um
letzten Endes einsehen zu muessen, dass ich unfaehig bin seine
Musik auch nur kunstgerecht abzuspielen, geschweige denn dass ich
sie haette hervorbringen koennen; und weiter nichts dazu zu sagen
vermoegen als die Worte Goethes zu zitieren: Gegen die grossen
Vorzuege eines anderen, gibt es kein Rettungsmittel als die
Liebe.

     Trotzdem ist es nuetzlich die Grenzen anzuerkennen, die
Grenzen des eigenen Begriffsvermoegens, aber auch, in aller
Demut, und so aufrichtig man vermag, die Grenzen des
Dargebotenen, also in gegebenem Falle, die Grenzen des
Kierkegaardschen Schriftstellertums, denn von Mozart will ich
nicht reden.  Worin moechten diese Grenzen bestehen? Zum
Beispiel, in der Hegelei, in der Bindung an das Dogma, in der
undisziplinierten Darstellung, in der Verachtung des
oeffentlichen, professorialen Denkens, in der oberflaechlichen
Historisierung "unserer Zeit", in der unkritischen Verherrlichung
der Griechen.

                            * * * * *

Zurueck : Back

Weiter : Next

Inhaltsverzeichnis