20020501.00
Der verinnerlichte Gott wird entsprechend dem Grad seiner
Verinnerlichung unsichtbar. Der voellig verinnerlichte Gott ist
voellig unsichtbar. Die Menschlichkeit, die Humanitaet von
welcher Lessing traeumte ist unabtrennbar von der Verinnerlichung
Gottes: denn erst der zu aeusserlicher Unerkennbarkeit
verinnerlichte Gott ist mit vollkommener Humanitaet vereinbar.
Anderweitig bewirkt der aeusserliche Gott zugleich eine eine
Zusammenfuegung und eine Trennung der Menschen. Der aeusserliche
Gott bewirkt eine Zusammenfuegung der Menschen insofern er als
Sinnbild den Menschen ein gesellschaftlichen Mittelpunkt bietet.
Dieser Mittelpunkt zieht die Menschen an; sie scharen sich um
ihn. Darueber hinaus aber bewirkt der aeusserliche Gott die
Trennung der Menschen von einander, weil die Vergesellschaftung
welche er zuendet und unterhaelt unvermeidlicher Weise begrenzt
ist, mit der Folge, dass sich verschiedene Gesellschaften mit
verschiedenen Goettern entwickeln, und dass diese Gesellschaften
einander bekaempfen. Hingegen fuegen sich inwendig Gottglaeubige
nur zu duerftiger Gesellschaft zusammen. Die aeusserlich
Gottglaeubigen aber fuegen sich zu Gemeinden; und diese Gemeinden
geraten dann in Streit mit anderen Gemeinden, lediglich weil
diese anders sind, und unvermeidlicher Weise (inevitably) einen
unterschiedlichen Gott verehren. Aus dieser Verschiedenheit der
Goetter erhebt sich der Streit. Der alte Kirchengesang "Wir
glauben all an einen Gott", ist mit tiefer Zweideutigkeit
behaftet. Er bezeichnet die Verschmelzung des einzelnen
Glaeubigen mit seiner Gemeinde; mit der Folge, dass dieser Gott
der Gemeinde der dann aeusserlich, objektiv sein muss, den
Goettern anderer Gemeinden feindselig gegenueber steht. Somit
entwickelt sich die religioese Intoleranz. Der eine Gott an den
wir alle glauben ist moeglich nur wenn er inwendig ist. Denn
waere er auswendig, so wuerde er als verschiedene Goetter
erscheinen; und die verschiedenen Goetter verschiedener Menschen
wuerden mit einander streiten. Die Beziehung zwischen
Gesellschaftsbildung bezw. Gesellschaftsstruktur, und
Monotheismus wird nun klarer. Es ist die Ausschliesslichkeit
Gottes welche das Volk vereint. Und diese auf Subjektivitaet
begruendete Ausschliesslichkeit ist die unerlaesslich
Vorbedingung fuer die Integritaet des Volkes.
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