20020516.00

     Man beurteilt die Abwandlung des menschlichen Geistes im
Laufe der Zeit mit uebermaessiger Uebereilung.  Was wir heute
erleben, woran wir leidvoll oder freudvoll teilnehmen, ist eine
allmaehliche Metamorphose des Wissens, des Denkens, des Fuehlens,
des Bewusstseins.  Da uns die Zukunft verschlossen, und die
Vergangenheit nur fragmentarisch zugaenglich ist, und wir auch
die Gegenwart nur unvollkommen begreifen koennen, wird es
unmoeglich sein die Grenzen, die Parameter dieser Verwandlung
festzustellen.  Wir vermoegen nur zu ahnen, dass die Vorstellung
vom Menschen und von seinen Goettern sich im Fliessen befindet;
dass wir langsam zu verstehen lernen wohin die Sprache uns
geleitet, - und verleitet hat, in welcher Hinsicht wir (nur) als
Einzelne, und inwiefern wir in der Gemeinschaft bestehen; wie das
Wissen und die Wissenschaft, die Symbolik und die Sprache
ueberhaupt, den Einzelnen an die Gesellschaft bindet.  Inwiefern
sich unser Gottesverstaendnis erhaelt, und inwiefern es schwindet
und zu einem anderen wird.

     Im siebzehnten Jahrhundert war eine Beschreibung der Welt
ohne das Goettliche unmoeglich.  Heutzutage ist es unmoeglich das
Goettliche in die Beschreibung der Welt hineinzufuegen.  Im
siebzehnten Jahrhundert war es unmoeglich den Menschen abgetrennt
von seiner Seele zu beschreiben.  Heutzutage faellt es bis zur
Unmoeglichkeit schwer von der Seele des Menschen gebuehrende
Rechenschaft abzulegen.  Was sich veraendert hat sind nicht die
metaphysischen Gegenstaende, die Seienden und die Nichtseienden,
so wie sie sind und so wie sie nicht sind, das Seiende und das
Nichtseiende, sondern unsere Auffassungen von ihnen.

     Es geht um eine Entwicklung.  Das Wissen foerdert die
Technik; die Technik bereichert die Verbindungsmittel, die
Mitteilbarkeit die Mitteilung, und diese hinwieder foerdern das
Wissen.  Und keiner vermag vorauszusehen, wohin dies fuehren mag,
ob zu einer Fortsetzung der bestehenden Menschheit, ob zu einer
neuen Menschheit, oder zum katastrophalen Untergang der
Menschheit.

                            * * * * *

Zurueck : Back

Weiter : Next

Inhaltsverzeichnis