20020520.00

     Spinoza mehr noch als Descartes scheint wie eine Bruecke von
der Philosophie des Mittelalters zu etwas neuerem.

     Fuer uns haben die Begriffe Substanz, Attribut, Modus nur
geringe, oder schlechthin gar keine Bedeutung.  Man muss
versuchen die Leidenschaftlichkeit zu ahnen, mit welcher die
Denker des Mittelalters um Substanz, Attributen und Moden
bekuemmert waren; und welche Bedeutung sie fuer jene besassen.
Die philosophische  Auffassung des Goettlichen scheint mir in
grellem Kontrast zu den theologischen Lehren zu stehen, welche
wenngleich nicht die Grundlage, so dennoch  die Rationalisierung
der religioesen Praxis darstellen.  Ich kann mir vorstellen dass
die philosophischen Lehren eine Flurchtmoeglichkeit, an escape
route, aus der engen bedrueckenden Atmosphaere der kirchlichen
Religion darstellten.  Dass die dem Aristoteles entlehnte
Terminologie eine Art Geheimsprache wurde welche ene Befreiung
von den Beengungen (strictures) der kirchlichen Religion
moeglich, wenn nicht sogar erlaubt machten.

     Ich deute die geometrische Methode als ein Versuch aus den
Denkformen des Mittelalters heraus, hervorzubrechen.  Statt zu
sagen dass Gott nicht existiert, sagt Spinoza dass Substanz
ausgedehnt, also stofflich ist, und dass Substanz nicht nur
ausgedehnt sondern auch vernuenftig ist, und dass Gott Substanz
ist.  Damit sind die positiv religioesen Vorstellungen von Gott
hinweggefegt.  Mittels der Eigenschaften der Substanz versucht er
das Wesen Gottes zu beschreiben.  In dieser Weise ist seine
Philosophie eine Theologie.

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