20020521.00
Betreffs der Scholastik welche uns aus den Scrhiften
Leibnizens, Spinozas un d Descartes entgegenstroemt, eroeffnen
sich uns verschiedene Verhaltungsweisen.
Wir vermoegen diese Begriffsstrukturen, wie etwa Substanz
Attribut, Modus, Subjekt, Objekt, u.s.w., auswendig lernen in
katechismusaehnlichem Geiste, und nachsprechen, widerholen, ohne
uns dabei sehr viel, oder auch nur irgendetwas zu denken. Dann
werden die Worte, wie Zahlen, selbst der Inhalt unseres Erlebens,
und der Umstand das wir es vermoegen sie nach eigentlich recht
schwierigen und dunkelen Regeln aufzuzaehlen und zu operieren,
(to operate, calculate with them) die Quelle der Zufriedenheit
(Befriedigung) wird, welche uns unsere Muehe verguetet. Es ist
sogar vorstellbar, dass infolge ausreichender Beschaeftigung mit
ihnen, uns diese Formeln spezifische Inhalte erschliessen, welche
uns befriedigen weil sie Resonanzen unseres eigenen
Denkvermoegens sind.
Nicht zu vergessen (uebersehen) ist, dass die Scholastik
ihren Ursprung in den Schriften des Aristoteles hat; und dass
jedenfalls meinem Verstaendnis gemaess die aristotelischen
Schriften nichts mehr oder weniger sind als
Entdeckungsstreifzuege (expeditions of discovery) durch die
griechische Sprache. Dass Aristoteles von den dichterischen
Entwuerfen Platons unbefriedigt blieb, und dass er danach
strebte, bewusst oder unbewusst, ausdruecklich oder inbegriffen,
die Sprache zu einem Kalkuel (calculus) von Denkmitteln
(Begriffen) zu entwickeln, wobei die Bedeutung der Begriffe ihnen
nicht quasi von aussen zugefuegt wurde, sondern duerch
(Begriffs)Erlaeuterung, durch Definitionen, durch Entdeckungen
ihres Inhalts festgestellt wurde.
Die Wucht des aristotelischen Gedankengefueges hat seine
Schueler, seine Nachfolger und vor allem seine Uebersetzer
ueberwaeltigt. Ich vermag die Triftigkeit der Uebersetzungen ins
Arabische und ins Hebraeische nicht zu beurteilen. Jedoch vermute
ich, dass es nicht anders war als im Falle der Uebersetzungen ins
Lateinische, und folgend (subsequently) in die romanischen und
angelsaechsische Sprachen deren Aristotelismus im Lateinischen
wurzelt und gruendet, dass die Uebersetzer und Kommentatoren an
Hand von nur oberflaechlichen Vorstellungen des aristotelischen
Gedankengefueges, minderwertige Parodien seines Gedankendramas
schufen, Parodien welche in den folgenden Jahrhunderten zum
beschraenkenden Geruest fuer das wissenschaftliche Denken wurden;
ein geistiges Gepraege von welchem Descartes sich vellig zu
befreiden suchte, von welchem Spinoza und Leibniz jeder auf
eigene Weise, den weg zu einer innigen Verknuepfung mit ihrem
eigenen Erlebn suchten.
Als Erklaerung fuer die Tatsache, dass Descartes keine
ernsten (triftigen, stichhaltigen) Versuche machte sein eigenes
Erleben mit der Scholastik zu vereinbaren mag die ihn umfangende
roemisch-katholische Geisteswelt gelten. Die Erlebensfremdheit
der kirchlichen Religion hatte fuer ihn ihr Aequivalent in der
Erlebnisfremdheit der Scholastik; weswegen er kein Beduerfnis
spuerte, und es ihn wohl auch sinnlos schien, auch nur den
Versuch zu machen die Duerre der Scholastik mit persoenlichem
leidenschaftlichen religioesen Erleben zu befruchten (fruchtbar
zu machen.)
Spinoza, dessen Gefuehle in der juedischen Ueberliefrunbg
wurzeln, und Leibniz, der aus dem Protestantismus erwuchs, haben
(unterhalten, entertain) ein gefuegigeres (more versatile)
Verhaeltnis der Scholastik gegenueber; und ihrer beiden
philosophischen Bestrebungen zielen darauf hin, bei jedem
wohlbemerkt in eigener Weise, das eigene (religioese) Erleben mit
der scholastischen Ueberlieferung zu vereinbaren.
Spinoza vertieft sich in die scholastische Ausdrucksweise
und bedient sich ihrer um sein eigenes Gotteserlebnis zu
bezeugen, das Erlebnis eines Goettlichen das nicht (mehr)
ausserhalb der Welt ist, sondern das die Welt in allen Fasern und
allen Koernchen durchdringt; welches in diesem Sinne mit der Welt
identisch ist, welches aber in anderem Sinne dem Menschen
unnahbar und unverstaendlich ist: ein ausserordentlicher Ausdruck
der Ehrfurcht vor der Natur, und zugleich eine sehr nahe
Abwandlung (a close variation) der sokratioschen
Selbstbescheidung betreffs des Wissens. Dass Gott unkennbar ist,
dass Gott der Natur gleichgestellt wird, heisst dass letztlich
Natur unkennbar ist.
Leibniz ist bestrebt die geistige Unerreichbarkeit Gottes zu
bewahren und zu schuetzen; ist aber, anders als Spinoza, nicht
bereit die Erkennabrkeit der Welt aufzugeben und postuliert
demzufolge die praestabilierte Harmonie zwischen Geist und Stoff.
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Inhaltsverzeichnis